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Aus: kuba, Beilage der jW vom 22.07.2009

Los Voluntarios

Alle oder keiner: Kubas Krisenbewältiger sind »Die Freiwilligen«
Von Gerd Schumann
Voluntarios: Über 60 der Männer, die am 26. Juli 1953 die Moncad
Voluntarios: Über 60 der Männer, die am 26. Juli 1953 die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba angriffen, starben. Heute sind ihre Porträts ausgestellt im Moncada-Museum

Trotz Honduras’ Putschisten und deren Schlag gegen den in ALBA-Gestalt institutionalisierten Antiimperialismus: Der historische Hinterhof der USA existiert nicht mehr. Die Vierte Flotte mag vor den weiten Küsten des Subkontinents kreuzen. Würde sie landen, bekäme sie es mit den Völkern zu tun. Der berühmte Satz Fidel Castros, wonach »diese Revolution nicht von anderen zerstört werden« kann, »sondern nur durch unsere Schwächen und Ungleichheiten«, gilt heute nicht mehr nur für Kuba – trotz der niemals schlafenden Konterrevolution und der niemals zu unterschätzenden nationalen Bourgeoisien, die die Tendenz zur lateinamerikanischen Integration stoppen wollen.

Ein schwerer Fehler, den die nicaraguanische Revolution – bereits mit dem Rücken zur Wand – beging, war es, gegen die US-gestützten Contra-Banden Mitte der achtziger Jahre auch Wehrpflichtige in den Dschungel zu schicken. Das Prinzip der Freiwilligkeit, das die Revolution zur Sache von Kopf und Herz macht, hätte die Überlegenheit der neuen, sandinistischen Gesellschaft im Kampf gegen den alten, militaristischen Söldnergeist der Gringos manifest werden lassen. »Meine Generation wurde zum Kriegführen gezwungen« – so der Sohn von Carlos Fonseca, des ersten kommunistischen Sandinisten. 1990 wählte das kriegsmüde Volk Nicaraguas die Befreiungsbewegung ab.

1200 Männer und Frauen hatte Fidel Castro streng konspirativ 1952/53 im ersten Jahr der Batista-Diktatur um sich gesammelt, Voluntarios (Freiwillige), bereit zu allem. 150 wählte er aus für den wagemutigen, ja, abenteuerlich anmutenden Angriff auf die Moncada-Kaserne von Santiago de Cuba, Trutzburg der Diktatur im Osten der Insel. Die Freiwilligen stürmten im Morgengrauen des 26. Juli 1953 gegen die Kasernenmauern – und scheiterten. Aber sie hätten siegen können. Wie die nach ihnen benannte Bewegung des 26. Juli, die unter Führung Fidels und seiner Comandantes Camilo Cienfuegos, Raúl Castro, Juan Almeida und Ernesto Guevara am 1. Januar 1959 die Diktatur stürzte – fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage nach dem Angriff auf die Kaserne.

Kubas Revolution handelt von Freiwilligkeit. Steven Soderberghs Film »Revolucion« erzählt davon, Ches kubanisches Tagebuch auch. Und zum Moncada-Sturm gehört die Episode, daß eine Gruppe Studenten aussteigen wollte, als es ernst wurde – und aussteigen durfte. Historische Fotos von 1961 zeigen Schlangen von Zivilisten, die sich auf dem Malecon in Havanna Waffen abholen, um damit die Invasoren aus Miami in der Schweinebucht zu schlagen. Wir sehen Männer und Frauen, die die bewaffneten CIA-Banditen in den zentralkubanischen Bergen bis 1965 vertreiben, Internationalisten aus Kuba in Angola, Che Guevara und seine Leute im Kongo, dann 1967 den toten Revolutionär aufgebahrt in Bolivien, ausgestellt mit nacktem Oberkörper. Und wir hören von Ärzten und Lehrern, von Kubanern als Helfer in aller Welt, heute. Sie wissen, was sie riskieren, und tun es trotzdem. Weil ihnen bewußt ist, daß es notwendig ist, und nicht, weil sie dazu gezwungen werden.

Die moralische Integrität der Revolution sorgte dafür, daß die schwerste Wirtschaftskrise, die der socialismo tropical durchmachen mußte, bewältigt wurde – um die 1990er-Wende herum nach dem Ende des europäischen Sozialismus, der über viel zuwenige Freiwillige verfügte und über zuviele Bürokraten und Kleinbürger. Diese besiegelten den Untergang der bipolaren Welt. Die Karibikinsel überstand sogar die folgende Zeit des Unilateralismus, als der US-Imperialismus seine ökonomisch führende Rolle kriegerisch zu festigen suchte.

Das war einmal, und doch dringt die von der Wallstreet ausgelöste Finanzkrise in jeden Winkel der Welt, und die besonders betroffenen Länder des einstigen Trikont versuchen, sich noch enger dagegen zusammenzuschließen. Kuba, über Jahrzehnte roter Leuchtturm der Hoffnung für Lateinamerika, öffnete den Weg zur Integration der Underdogs: Im Kampf gegen die US-Herrschaft seit einem halben Jahrhundert, gegen das globale Diktat Washingtons nach 1990, und heute, unter dem Vorzeichen der Krise. Die Chancen stehen gut, der Süden verbündet sich, ALBA existiert.

Doch bleibt die Ökonomie abhängig vom reichen Norden, die Weltmarktpreise für Zucker und Nickel fielen in den Keller. Die Gefahr, daß sich die kubanische Gesellschaft selbst zerstört, begleitet das Land auch im einundfünfzigsten Jahr der Revolution.

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den Staaten des kapitalistischen Imperiums, das bisher Billionen Dollars gedruckt hat, um sein parasitäres Bankensystem zu retten, und einem sozialistischen Land ist der, daß es keine Krisenprofiteure gibt. Und daß Bevölkerung und Volksmacht gemeinsam versuchen, aus dem Schlamassel herauszukommen. Freiwillig. Alle oder keiner!

kuba erscheint als Beilage der Tageszeitung junge Welt im Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin. Redaktion: Gerd Schumann (V.i.S.d.P.); Anzeigen: Silke Schubert; Gestaltung: Michael Sommer.
Alle Zitate Fidel Castros auf den Marginalien stammen aus: Fidel Castro: »Mein Leben«, Im Gespräch mit Ignacio Ramonet. Aus dem Spanischen von Barbara Köhler; Rotbuch Verlag, Berlin 2008

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