Mühsamer Aufbruch
Von Gerd SchumannEine unsägliche Arroganz prägt den Westzentrismus, jenes
Propagandaklischee von einer in Gut und Böse, Zivilisation und
Finsternis, Demokratie und Despotie geteilten Welt. Krieg wird zur
grenzübergreifenden Krake. Die USA nehmen nun unter
Friedensnobelpreisträger Barack Obama von Afghanistan aus
Pakistan in den Würgegriff. Als Weltgendarm wirken sie trotz
alledem »zunehmend überfordert«, meint Werner
Pirker (Seite 8).
Der Trikont – Afrika, Asien, Lateinamerika – befindet
sich historisch betrachtet inmitten eines zweiten großen
Versuchs, dem Vormundbegehren der Reichen zu entsagen. In Etappe
eins vertrieben nationale Befreiungsbewegungen die koloniale
Herrschaft, die über Jahrhunderte den Eingeborenen Mores
lehrte, ihnen also Zivilisation nach Gutsherrenart aufnötigte.
Die Existenz eines sozialistischen Lagers erleichterte damals den
Widerstand gegen die westliche Anmaßung. Das ist Geschichte.
Der nunmehr globalisierte Unterdrückungswille eines
Imperialismus, der unter unipolaren Vorzeichen agiert, zwingt zum
multilateralen Widerstand (Knut Mellenthin, Seite 7).
Kuba, einst einziger staatlich institutionalisierter
Hoffnungsträger für ganz Lateinamerika, überlebte
bis heute und mit wachsenden Chancen. Das geschieht trotz der
negativen Auswirkungen, die die weltweit wirkenden Marktmechanismen
auf die sozialistische Volkswirtschaft im socialismo tropical haben
(Steffen Niese aus Havanna, Seite 4). Gemeinsam mit Venezuela,
Bolivien und anderen bieten die Staaten des Südens Washington
mittlerweile die Stirn trotz Blockade und Honduras-Putsch. Mit ALBA
entsteht ein Modell für die Integration Lateinamerikas,
antiimperialistisch und solidarisch, so André Scheer (Seite
5).
Die Zusammenarbeit der unterschiedlich verfaßten, nach
Unabhängigkeit strebenden Staaten des Trikont wird zum Zwang,
den die globale Übermacht diktiert. Die Tendenz zu
Kooperationen zwischen den Underdogs steigt seit Jahren. Sie
bewirkt in den involvierten Drittweltländern
Entwicklungsschübe, wie sie unter imperialistischer
Ausbeutungsdominanz undenkbar waren (Rainer Rupp, Seite 3). Das
unterscheidet sie vom kolonialen Konzept, das weiter wirkt: wie in
der Westsahara (Kultusministerin Khadija Hamdi, Seite 6) und unter
den Elenden in den meisten Trikont-Staaten (Professorin Utsa
Patnaik, Neu-Delhi). Aber: Sie halten durch und begehren auf.
Unverzichtbar wird, daß die Unterdrückten in der
westzentristischen Hemisphäre, also die, die das marode,
überkommene kapitalistische System fürchtet, ihre
Brüder und Schwestern im Süden endlich als solche
erkennen. Die Bourgeoisie macht es auf ihre Art vor, über alle
Grenzen hinweg. Contra-Söldner, die in Kolumbien Jagd auf
Guerilla, Gewerkschafter und andere Regimegegner machen, wechseln
nach Honduras, angeworben von Großgrundbesitzern »auf
der Farm eines ehemaligen Drogenhändlers«
(Spiegel,44/2009). Ihr neuer Marschbefehl: Verhindern, daß
Manuel Zelaya in sein Amt zurückkehrt. Der legale linke
Präsident war Ende Juni durch einen Militärputsch
gestürzt worden, Massenproteste für ihn folgten. Nun
benötigen die honduranischen Latifundistas Feuerschutz, um der
Geister des Widerstands, die die Putschisten riefen, Herr zu
werden.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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