Kultur gegen Terrorismus
Von André ScheerSeit dem 23. Mai ist Carlos Hernandez Bürgermeister von
Hialeah, einer gut 200000 Einwohner zählenden Stadt am
Südostzipfel des US-Bundesstaates Florida. Sie gilt einer 2005
veröffentlichten Studie zufolge als die viertkonservativste
Stadt der USA. Im Repräsentantenhaus wird der Distrikt, in dem
Hialeah liegt, von Mario Diaz-Balart vertreten, einem der
schärfsten Einpeitscher der exilkubanischen Rechten, dem jede
Lockerung der Blockade Kubas durch die USA schon zu viel ist. Und
so fand auch Hernandez schon kurz nach seinem Amtsantritt nichts
dabei, den wohl bekanntesten Terroristen des Kontinents zum
Ehrenbürger zu machen. Am 14. Juni, wenn in den USA der
»Flag Day«, der Tag der Nationalflagge, begangen wird,
überreichte der Bürgermeister Luis Posada Carriles die
Schlüssel der Stadt.
Venezuela und Kuba verlangen seit Jahren die Auslieferung dieses
Herrn, dem nicht nur zahlreiche Sprengstoffanschläge auf
kubanische Einrichtungen zur Last gelegt werden, sondern vor allem
auch die Beteiligung an dem Attentat auf ein kubanisches
Verkehrsflugzeug am 6. Oktober 1976, bei dem 73 Menschen
getötet wurden. Die USA verweigern dies – über die
Hintergründe dieser besonderen Obhut für einen
Terroristen berichten wir auf Seite 8.
Dabei geht es nicht um längst vergangene Geschichten aus den
heißesten Zeiten des Kalten Krieges. Bis heute sind die
US-Geheimdienste auch in Kuba aktiv, werben Söldner an und
halten Gruppierungen aus, die das gesellschaftliche System des
Inselstaates untergraben sollen. Kuba hat sich auf diese Bedrohung
eingestellt und kennt die internen Entwicklung in diesen
Grüppchen. Wie das kleine Land dies erreicht, berichtet Deisy
Francis Mexidor auf Seite 5.
Während die Angehörigen dieser Gruppen im Ausland gerne
als die »gewaltfreie Opposition« gefeiert werden,
versuchen andere Organisationen noch immer, die kubanische
Regierung gewaltsam zu stürzen. Die US-Behörden sehen
diesem Treiben weitgehend tatenlos zu. So entschlossen sich die
kubanischen Behörden, selbst für ihren Schutz zu sorgen
und Leute ihres Vertrauens in die rechtsextremen Gruppen in Miami
und anderen Orten der USA zu entsenden. Seit fast dreizehn Jahren
sitzen deshalb fünf Kubaner in US-Gefängnissen ein.
Über diese als »Miami 5« weltbekannten Männer
schreiben Josie Michel-Brüning und Dirk Brüning
auf Seite 7.
Dabei hat Kuba auch ohne eine solche Einmischung aus dem Norden
genug zu tun. Der sechste Parteitag der kubanischen KP hat im April
die Weichen für umfangreiche Wirtschaftsreformen gestellt.
Über die Herausforderung, was dies für das kleine Land
darstellt, sprachen wir mit Enrique Ubieta, dem Herausgeber der
theoretischen Zeitschrift der KP Kubas, Cuba Socialista, auf den
Seiten 2 und 3.
Während dieser die Entwicklung der Beziehungen zu den USA und
zur Europäischen Union skeptisch beurteilt, hat sich die
Freundschaft zwischen Kuba und Venezuela zu einer wichtigen Achse
in Lateinamerika entwickelt. Über die Bedeutung der engen
Verbindung zwischen beiden Ländern für die Integration
eines ganzen Kontinents berichtet Modaira Rubio auf Seite
4.
So haben es Venezuela, Bolivien und Nicaragua durch die
internationalistische Solidarität Kubas geschafft, den
Analphabetismus zu besiegen. Kubanische Ärzte haben in den
Armenvierteln der venezolanischen Städte dafür gesorgt,
daß die Menschen kostenlosen Zugang zu medizinischer
Versorgung haben. Doch auch in Kuba engagieren sich Ärzte,
Pädagogen und Künstler für die Schwächsten der
Gesellschaft, zum Beispiel für behinderte Kinder. Wie so etwas
aussieht, beschreibt Mario Arcadi aus Pinar del Río
auf Seite 12.
Über solche Initiativen sagte einst Kubas Nationaldichter
José Martí: »Demjenigen zu helfen, der Hilfe
braucht, ist nicht nur ein Teil der Pflicht, sondern auch des
Glücks.« Der Autor ist bis heute für kubanische
Literaturwissenschaftler eine unerschöpfliche thematische
Fundgrube. Mit dem Einfluß deutscher Sprache und Kultur auf
das Werk Martís beschäftigt sich beispielsweise der
Kulturattaché der kubanischen Botschaft in Berlin,
Héctor Corcho Morales, auf Seite 11.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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