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Aus: trikont, Beilage der jW vom 26.10.2011

Kanonenboote auf Kurs

Mehr als 50 Jahre nach der Entkolonialisierungswelle ist Afrika erneut zu einem Hauptziel westlicher Begehrlichkeit geworden
Von Simon Loidl
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Noch vor einigen Jahren prophezeiten politische Beobachter, daß Afrika bald vollständig aus dem Blickfeld internationalen Interesses geraten würde – mit allen Vor- und Nachteilen, die eine derartige Entwicklung mit sich gebracht hätte. Davon spricht heute fast niemand mehr. Überall auf dem Kontninent versuchen westliche Staaten und Konzerne Fuß zu fassen, auf politische Prozesse Einfluß zu nehmen und die Konkurrenz bei diesen Bemühungen abzuhängen. Die USA und europäische Akteure sind dabei stets bemüht, das eigene Wirken als Kampf für »Freiheit und Demokratie« darzustellen, während die immer lästiger werdenden Rivalen aus Asien als skrupellose Ausbeuter porträtiert werden. Ausgerechnet US-Außenministerin Hillary Clinton warnte im Zuge ihrer PR-Tour durch Sambia, Tansania und Äthiopien im Juni vor einem »neuen Kolonialismus«. Im Blick hatte sie dabei allerdings weder das verstärkte militärische Vorgehen ihres Landes oder die fortgesetzte Ausbeutung afrikanischer Ressourcen durch westliche Konzerne, sondern ausschließlich die sprunghaft angewachsenen Investitionen Chinas in zahlreichen Ländern des Kontinents.

Diese neue Konkurrenzsituation bringt eine immer stärkere Eimischung in die politischen und ökonomischen Entwicklungen mit sich. Lokale und regionale Konflikte werden dabei für die Interessen Dritter instrumentalisiert. Die Spaltung des Sudan im Juli, bis dahin größtes Land des Kontinents, war unter tatkräftiger Einmischung zahlreicher externer Akteure und unter Ausnutzung ethnischer Spannungen seit langem vorbereitet worden. Die politischen Interventionen werden in der Regel von militärischen begleitet. Dabei zeigt gerade das Beispiel Sudan, daß selbst UN-Einsätze nichts zur Lösung von Konflikten beitragen und die Spannungen nur weiter verschärfen.

Zu den neokolonialen Aktivitäten gehört die mit Gewalt verbundene Sicherung des Transports von Rohstoffen und die Hochrüstung der Grenzregime durch die Zentren der Reichtumsanhäufung. Antipirateriekampf und EU-Grenzregime sind die Begleiterscheinungen von Ausbeutung und Zerstörung staatlicher Strukturen und Ökonomien durch die Akteure des globalen Nordens.

Ein halbes Jahrhundert nach der Entkolonialisierungswelle erheben sich jedoch auch wieder häufiger afrikanische Stimmen, die vor einem Rückfall in überwunden geglaubte Formen der Herrschaft warnen. Zahlreiche neu entstehende soziale Bewegungen nehmen die Revidierung der Errungenschaften der Entkolonialisierung nicht widerstandslos hin. Und auch die politischen Umwälzungen in Ägypten und Tunesien waren wie die Proteste in Senegal, Malawi und anderen Ländern nicht zuletzt Ausdruck dessen, daß die Menschen nicht dauerhaft dazu bereit sind, eine Politik der Komplizenschaft mit dem Westen zu akzeptieren.

Eine Erneuerung antikolonialen Widerstands würde indessen keinen Augenblick zu früh kommen. Die militärischen Aggressionen gegen Côte d’Ivoire und Libyen in diesem Jahr – beide von der früheren Kolonialmacht Frankreich forciert – machten deutlich, daß die Zeit der »Ausblendung« ebenso vorbei ist wie jene der »nur« wirtschaftlichen Ausbeutung. Die ehemaligen Kolonialisten schicken ihre Kanonenboote wieder nach Afrika.

Die Fotos von Finbarr O’Reilly/Reuters in dieser Beilage zeigen die Arbeit in einer Goldmine in Kobu im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo.
Der Reichtum der Region an Gold, Kupfer, Diamanten oder Coltan ist Ursache von Interventionen und Kriegen seit Beginn der belgischen Kolonialzeit im 19. Jahrhundert. Bis heute werden die Rohstoffe unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut.

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