Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz, Beilage der jW vom 28.01.2015

Ende der atomaren Ära?

Die Zahl der Staaten, die nukleare Abrüstung wollen, wächst.
Von Alex Rosen
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Wir IPPNW-Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs kommen alle Jahre wieder hierher in die Urania, um über Atomwaffen zu sprechen. In den letzten Jahren hatten wir selten Aufmunterndes zu berichten, in diesem Jahr ist das anders. Ich habe die begründete Hoffnung, dass ich zu der Generation gehöre, die ein Ende der atomaren Ära sehen wird.

Die atomare Ära hat mit den drei Atomwaffen des Manhattan-Projekts in den USA begonnen. (…) Die Situation ist heute umso bedrohlicher, da nicht allein die USA und Russland in der Nachfolge der Sowjetunion nukleare Waffen besitzen, sondern auch Frankreich, Großbritannien, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea. Diese neun Staaten verfügen nicht mehr nur über Bomben mit einer Sprengkraft von zwölf oder 15 Kilotonnen TNT wie in Hiroshima und Nagasaki, sondern wir sprechen von Bomben, wie sie z. B. in Deutschland lagern, die eine Sprengkraft von über 150.000 Tonnen TNT haben. Weltweit existieren in den Arsenalen Bomben mit einer Sprengkraft von 15 bis 20 Millionen Tonnen TNT. Die Hiroshima-Bombe verhält sich dazu ungefähr so wie ein Silvesterböller zu einem explodierenden Tanklaster.

Das einzige international durchschlagende Vertragswerk ist der Atomwaffensperrvertrag. Alle fünf Jahre treffen sich die Staaten dieser Welt, um zu überprüfen, wie die Atomwaffenstaaten ihren darin festgelegten Abrüstungsverpflichtungen nachkommen. In den letzten Jahrzehnten kamen sie ihnen nicht nach. Statt ihre Arsenale zu verkleinern, modernisierten sie die Waffen. Deswegen hat der IPPNW 2007 die internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, ICAN) gestartet, der sich mittlerweile viele Organisationen, Politiker, Journalisten, Aktivistinnen und Künstler angeschlossen haben. Wir Ärztinnen und Ärzte haben unsere Expertise über die gesundheitlichen Folgen von Atomwaffenabwürfen beitragen können. (...) Wir haben z. B. zusammen mit Klimaforschern, Ernährungswissenschaftlern, Medizinern und Militärstrategen durchgerechnet, was passieren würde, wenn Indien und Pakistan jeweils die Hälfte ihres nuklearen Potentials einsetzen. Jedes dieser Länder besitzt etwa 100 Atomsprengköpfe ungefähr von der Größe der Hiroshima-Bombe. Nach unserer Berechnung gäbe es 20 Millionen Tote am ersten Tag, und der radioaktive Niederschlag würde große Teile des Umlandes für Jahre verseuchen. Die neue Erkenntnis ist aber die über die globalen Auswirkungen. Die Brände in den Großstädten würden etwa fünf Millionen Tonnen Schutt und Asche in die Atmosphäre und in die Stratosphäre blasen. (…) Das hätte innerhalb weniger Tage weltweit einen Temperaturabsturz um 1,25 Grad Celsius zur Folge, den größten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es würde bedeuten, dass Niederschläge und Ernten ausfallen, dass man im Schnitt 20 frostfreie Tage weniger weltweit hat. Die Weizenerträge in den USA oder die von Reis in China brächen um 20 bis 50 Prozent in den ersten fünf Jahren ein. Jetzt sind auf der Welt etwa eine Milliarde Menschen weltweit vom Hunger bedroht. Dann würde wahrscheinlich eine weitere Milliarde Menschen an Hunger sterben.

Mit Unterstützung des norwegischen Außenministeriums haben wir 2013 in Oslo eine Konferenz veranstaltet, zu der Vertreter aus 140 Staaten kamen. (...) Eine weitere Konferenz hat im Dezember 2014 in Wien stattgefunden, und wir haben in diesem Jahr die reguläre Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags in New York. Wir gehen davon aus, dass sie keine konkreten Ergebnisse bringen wird. Wir haben aber zum ersten Mal eine Initiative von Staaten, die erklären: »So kann das nicht weitergehen, wir müssen etwas tun.« Die österreichische Regierung hat am Ende der Wiener Konferenz angekündigt, sie werde sich, falls die Überprüfungskonferenz in New York scheitert, an die Spitze der atomaren Abrüstungsbewegung stellen. Die Regierungen Südafrikas, Norwegens, Mexikos und Malaysias wollen sich anschließen. Wir haben bei biologischen und chemischen Waffen, bei Streubomben und Landminen gesehen, dass der erste Schritt zur Abschaffung einer Waffengattung sein muss, sie zu ächten. Deswegen braucht es einen internationalen Vertrag zur Ächtung von Atomwaffen, dafür arbeiten wir in der ICAN. Daher meine etwas gewagte These vom Anfang: Jede Generation hat die Chance die Welt zu ändern. Unsere Generation kann die sein, die die atomare Ära beendet.

 

Alex Rosen ist seit 2013 Vorstandsmitglied und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW). Er arbeitet als Kinderarzt in Berlin.

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