Obama auf Filzlatschen
Von André ScheerEs ist eine dieser Legenden, die sich im Internet in Windeseile verbreiten, und von denen am Ende niemand weiß, wer sie aufgebracht hat. Fidel Castro soll 1973 bei einer Pressekonferenz in Havanna auf die Frage eines britischen Journalisten, wann Kuba und die USA wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen würden, geantwortet haben: »Wenn sie einen schwarzen Präsidenten haben und es in der Welt einen lateinamerikanischen Papst gibt«. Unnötig zu erwähnen, dass die Originalquelle dieser »Prophezeiung« nirgendwo zu finden ist, auch wenn man auf dem Kontinent des magischen Realismus erst mal nichts ausschließen sollte.
Doch die Veränderungen, die sich im Verhältnis zwischen Havanna und Washington in den vergangenen Monaten vollzogen haben, waren noch bei Erscheinen der letzten Beilage über die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) im Juli 2014 kaum absehbar. Nach einem halben Jahrhundert kalten und oft genug auch heißen Krieges der USA gegen die rebellische Karibikinsel hat Barack Obama einräumen müssen, dass die Strategie der Supermacht gegen Kuba gescheitert ist. Die Militärstiefel werden deshalb vorerst in den Schrank geräumt, die Konterrevolution kommt künftig auf »Filzlatschen«, wie es einst Otto Winzer, zwischen 1965 und 1975 Außenminister der DDR, mit Blick auf den Strategiewechsel der Bundesrepublik gegen den Osten formulierte.
Grundsätzlich hat sich nichts geändert. Das beweist schon das Säbelrasseln gegen Venezuela, das im März von Washington per Dekret zur »Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA« erklärt wurde. Allein diese Provokation, mit der die Obama-Administration auf das strafrechtliche Vorgehen der venezolanischen Justiz gegen mutmaßliche Putschisten und militante Oppositionelle reagierte, dürfte den Kubanern Warnung genug gewesen sein. Ihr Präsident Raúl Castro erinnerte im März bei einem als Reaktion auf die Drohungen gegen Venezuela nach Caracas einberufenen ALBA-Sondergipfel an die Warnungen des in Südamerika als Befreier verehrten Simón Bolívar (1783–1830), dass die USA von der Vorsehung dazu verdammt schienen, Amerika im Namen der Freiheit mit Elend zu überziehen. »Die Vereinigten Staaten sollten endlich erkennen, dass es unmöglich ist, Kuba zu verführen oder zu kaufen, und dass es unmöglich ist, Venezuela einzuschüchtern«, betonte Castro. »Unsere Einheit ist unzerstörbar.«
Im vergangenen Dezember feierte die von Fidel Castro und Hugo Chávez gegründete ALBA ihren zehnten Geburtstag. Aus dem bilateralen Projekt der beiden Comandantes ist inzwischen eine Organisation geworden, die auf der politischen Bühne Lateinamerikas einen selbstbewussten Platz einnimmt und die Position der antiimperialistischen Regierungen des Kontinents vertritt. Aus den zwei Mitgliedern Kuba und Venezuela sind inzwischen elf geworden – Antigua und Barbuda, Bolivien, Dominica, Ecuador, Grenada, Nicaragua, St. Kitts und Nevis, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen sind hinzugestoßen. Diese Solidarität ist, wie es Raúl Castro im März in Caracas feststellte, »die Grundlage der Einheit und der regionalen Integration«.
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