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Aus: Frauenrechte, Beilage der jW vom 08.03.2016

Die ganze Bäckerei

Feminismus ohne Antikapitalismus bringt es nicht
Von Jana Frielinghaus

Es ist ein diffuses Gefühl der Angst, das sich seit den Ereignissen in der Silvesternacht von Köln unter Frauen breitmacht – und das nicht nur von Vertretern rechter Parteien geschürt wird, sondern auch von prominenten Feministinnen wie Alice Schwarzer. Angst vor dem Fremden, dem potentiellen Vergewaltiger. Denn ein Großteil der jungen Männer, die am Hauptbahnhof der Stadt Hunderte Frauen beklaut, etliche »begrapscht« und einige mutmaßlich zu sexuellen Handlungen gezwungen haben, stammt offenbar aus nordafrikanischen Staaten wie Marokko, Algerien und Tunesien. Was passiert ist, ist ein Skandal. Ein größerer Skandal aber ist, wie damit umgegangen wird: von der Politik, von der Polizei, aber auch von Medienvertretern. Erstere hat die Vorfälle bekanntlich als Vorwand für eine weitere Verschärfung des Asylrechts benutzt.

Seit Silvester ist auch das Klischee vom »arabischen Mann« wieder groß in Mode, das Bild vom Muslim, dem schon als Kind beigebracht wurde, dass Frauen Menschen zweiter Klasse sind, die ihm zu dienen haben. Kein Zweifel: Es gibt solche Männer. Wie viele mit solchen Ansichten unter den Hunderttausenden Flüchtlingen sind, die derzeit in Deutschland leben, weiß niemand. Wichtig ist in dieser Situation, die Neuankömmlinge nicht als bedrohliche Masse zu sehen, sondern als Individuen, die so unterschiedlich sind wie alle anderen Bewohner dieses Landes. Verdient und nötig haben die meisten von ihnen grundsätzliche Solidarität, gerade die Frauen unter ihnen, die in überfüllten Unterkünften nicht nur durch ebenfalls dort lebende männliche Geflüchtete, sondern vielfach auch durch deutsches Personal retraumatisierenden Belästigungen ausgesetzt sind.

Ulla Jelpke betont in ihrem Beitrag für diese Beilage, wie wichtig es ist, dass die Debatte um Sexismus keine rassistischen Untertöne bekommt. Das sah auch das Organisationsteam der Demonstration zum Internationalen Frauentag so, die bereits am Sonntag in Berlin stattfand: »Gemeinsam Grenzen einreißen« lautete das Motto der Kundgebung. Die Frauen wollten damit ihre Position zum Ausdruck bringen, dass Ausschreitungen einer Gruppe keine Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl und die Schaffung immer neuer »sicherer« Herkunftsstaaten per Dekret rechtfertigen. Bettina Gutperl, eine der Demoorganisatorinnen, betonte zudem, man wolle mit dem Motto auch darauf hinweisen, dass »es vor allem Frauen sind, denen ständig Grenzen gesetzt werden – sei es im öffentlichen Raum, zu Hause oder bei der Arbeit«. Auch die gelte es zu beseitigen.

In dieser Beilage soll unter anderem einmal mehr gezeigt werden, dass ökonomische Unabhängigkeit beim Kampf um Gleichstellung weiter entscheidend nicht nur für die Emanzipation der Frauen, sondern für die aller Menschen ist. Dazu müssen die Voraussetzungen für gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben geschaffen werden. Vor allem aber wäre die radikale Verkürzung der Arbeitszeiten – selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich – das Gebot der Stunde. Das wäre für die Gesamtgesellschaft nicht teuer, sondern gewinnbringend – wenn es sich nicht um eine kapitalistische handelte, in der nach wie vor eine kleine Minderheit immer reicher wird und eine wachsende Mehrheit immer weniger vom »Kuchen« abbekommt. Der Kuchen aber, das wussten Sozialistinnen und Kommunistinnen schon vor 100 Jahren, ist vergiftet. Folgerichtig wäre es nötig, dass die ganze Bäckerei in die richtigen Hände kommt. Also in die jener, die für eine gerechte Teilung des gesellschaftlichen Reichtums ebenso wie der politischen Macht und der sogenannten Reproduktionsarbeit in der Familie streiten.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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