Der Winzer und das Monopol
Von Daniel BratanovicDer größte Chemiekonzern der Welt heißt BASF. Der größte Weinhändler Deutschlands heißt – sofern von den Einzelhandelsmonopolisten abgesehen wird – ebenfalls BASF. Rund 700.000 Flaschen setzt der Chemiegigant mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein Jahr für Jahr ab. Was hier ein Kuriosum scheint, sagt eine Menge über die ökonomische Struktur dieses Landstriches aus. Von Neustadt an der Weinstraße wandert der Blick auf die oberrheinische Tiefebene über die ausgedehnten Weinberge der Pfalz zum riesigen Industriepark der Badischen Anilin- und Sodafabriken im Nordosten. Hier verschwimmt optisch, was wirtschaftlich zusammengehört: Das Monopol produziert Düngemittel und Pestizide, die der Winzer im Erdreich verteilt bzw. auf seine Rebstöcke spritzt. Der Winzer füllt das Ergebnis seiner mühseligen Arbeit in Flaschen, die das Monopol dann in seinen »Weinkeller« stellt und weltweit vertreibt. Wein und Industrie verschmelzen zu Weinindustrie und Industriewein.
Den Handel mit den Rebsäften verklärt BASF zur grenzenlosen und selbstlosen Fürsorge am globalen Gesamtkunden: »Ihr Genusslotse durch die Welt des Weines«, verheißt die Website des Konzerns. Dahinter aber steht ein ruppiger Verdrängungswettbewerb. Nummer eins auf dem deutschen Weinmarkt ist seit Jahren Aldi. Bundesweit jede vierte Flasche Wein wird inzwischen in den Filialen des Billighändlers gekauft. Zusammen kommen die Discounter auf einen Anteil von annähernd 50 Prozent. Mit solcher Marktmacht lassen sich die Einkaufspreise diktieren.
Das Geschäft mit den günstigen Weinen wäre ohne die Großkellereien nicht denkbar. Diese Weinfabriken, die gut die Hälfte des Weins aus deutschem Anbau verarbeiten, decken den unerschöpflichen Bedarf der Discounter und Supermärkte. Sieben der zehn größten Kellereien haben ihren Sitz in Rheinland-Pfalz, die mit Abstand größte ist das Familienunternehmen Peter Mertes aus Bernkastel-Kues an der Mosel. 250 Millionen Flaschen werden hier pro Jahr produziert. Die Kellereien kaufen Trauben, Most oder Fasswein von jenen auf dem Markt anonymen und unsichtbaren Winzern, die ihren Wein weder selbst abfüllen noch vermarkten, weil ihnen die kostspieligen Anlagen fehlen. Immer wieder klagen diese Weinbauern über zu niedrige Fassweinpreise. »Der Preisdruck des Handels auf die Erzeuger macht keine Vollkostendeckung mehr möglich und wird leider zu deutlichen Einkommenseinbußen bei Winzern führen«, hieß es etwa 2016 in einem Bericht des Deutschen Weinmagazins über die Situation in Rheinhessen.
Die Riesenmaschinerie des Monopols unterstellt den Weinbauer seiner Botmäßigkeit. Das hat auch Einfluss auf die Qualität des Weines. Der Absatz- bzw. Profitdruck verlangt eine immer frühere Abfüllung des jeweiligen Jahrgangs, Versorgungslücken darf sich der Discounter nicht leisten. Der Geschmack des Produkts kann sich so kaum entfalten, ist extrem frisch und oft genug kantig.
Die Chargen und Charaktermasken der Politik, die als Weintrinker diese Beilage illustrieren, sollen mit ihrer ankumpelnden Wein- und Leutseligkeit den schönen Schein von den malerischen Kulturlandschaften und dem fröhlichen Handwerk Weinbau aufrechterhalten und garantieren in Wahrheit, dass nichts und niemand diese Monopolmacht erschüttert. Mit solchen Leuten möchte man lieber nicht anstoßen.
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