Jetzt bist du dran!
Gegründet 1947 Mittwoch, 30. Oktober 2024, Nr. 253
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Jetzt bist du dran! Jetzt bist du dran!
Jetzt bist du dran!
Aus: Dialektik und Revolution, Beilage der jW vom 22.04.2020
150. Geburtstag Lenins

Das Sichere ist nicht sicher

In Krisen des Kapitalismus kommt die Dialektik der Geschichte neu ins Spiel. Wladimir Iljitsch Lenin war einer der bedeutendsten Fachleute auf diesem Gebiet
Von Arnold Schölzel
01.jpg
Wünsdorf bei Berlin, Standort des Oberkommandos der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), 1982: Leninpioniere feiern den 60. Jahrestag der Gründung ihres Verbandes. Die Bilder dieser Beilage stammen zum größten Teil von dieser Feier.

Vor zehn Jahren erschien eine jW-Beilage zum 140. Geburtstages Lenins, in deren Mittelpunkt dessen Imperialismusbegriff stand. Damals, im April 2010, hatte China durch ein gigantisches Investitionsprogramm dafür gesorgt, dass die Krise des Kapitalismus nicht zu dessen wirtschaftlichem Kollaps führte. Überwunden wurde diese Gefahr in den vergangenen zehn Jahren nicht, im Gegenteil.

Im Frühjahr 2020 trifft eine Pandemie auf eine kapitalistische Weltwirtschaft, die bereits auf Talfahrt war. In der Bundesrepublik befand sich die Industrie seit Mitte 2019 in der Rezession. Die Folgen der jetzt beginnenden Wirtschaftskrise sind noch nicht absehbar. Fest steht: Die Dialektik der Klassenkämpfe steht anders auf der Tagesordnung als in sogenannten ruhigen Zeiten. Vorerst schlägt sich das vor allem auf ideologischem Gebiet nieder. Das besagt sowohl die Welle an Irrationalismus und Wissenschaftsfeindlichkeit, die angesichts der Pandemie in einer kapitalistisch, also irrational verfassten Gesellschaft bei solcher Gelegenheit zwangsläufig hochschlägt. Das besagt aber auch die Kapitalismuskritik, die bis ins liberale Bürgertum um sich greift. Dort spricht sich herum, dass zum Beispiel Profit und Gesundheit für alle miteinander unvereinbar sind, mehr noch, dass unterm Diktat von Monopolen umfassende soziale Vorsorge und vor allem eine friedensfähige Gesellschaft nicht möglich sind. Die Wesensmerkmale dieser Ordnung sind vielmehr präventive Aufstandsbekämpfung nach innen mit Repression, autoritärer Machtausübung und dem Aufstieg faschistischer Bewegungen. Nach außen permanente neue imperialistische Kriege gegen die Habenichtse dieser Welt.

In solchen Situationen kommt die Dialektik der Geschichte ins Spiel. 1934, ein Jahr nach der Machtübergabe an den deutschen Faschismus, schrieb Bertolt Brecht im »Lob der Dialektik«: »Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt. / Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre. / Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es. / Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden. / Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut: / Jetzt beginne ich erst.« Aus der deutschen Bundesregierung ist wie vor zehn Jahren in diesen Tagen zu hören, man wolle »gestärkt« aus der Krise hervorgehen. Das ist ein Synonym für verstärkte Ausplünderung der eigenen Bevölkerung und der anderer Länder. Die dafür nötigen Machtinstrumente liegen bereit.

Brecht fuhr damals fort: »Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt: / Was wir wollen, geht niemals. / Wer noch lebt, sage nicht: niemals! / Das Sichere ist nicht sicher.«

Dialektik, lässt sich so sagen, hat etwas mit historischen Umschwüngen zu tun. Neben Karl Marx und Friedrich Engels war Wladimir Iljitsch Lenin, der am 22. April 1870 vor 150 Jahren geboren wurde, der bedeutendste Fachmann für Zäsuren der Weltgeschichte. Alle drei stützten sich in dieser Hinsicht auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dessen 250. Geburtstag am 27. August in diesem Jahr begangen wird. Marx hat dessen Auffassung von Dialektik im Nachwort zur zweiten Auflage des »Kapitals« so beschrieben: »In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite, auffasst, sich durch nichts imponieren lässt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.«

Lenin las zeitlebens immer wieder Hegel. Diese jW-Beilage befasst sich mit dieser Lektüre und ihren Spuren in Lenins Werk. Im Sinne Brechts: »Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!