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Aus: Kampf ums Wohnen, Beilage der jW vom 03.11.2021
Kampf ums Wohnen

Eine Frage des Systems

Wohnungsnot, Verdrängung und explodierende Mieten bestimmen das Bild in vielen Städten. Das Problem heißt Kapitalismus
Von Jan Greve
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Die Fotos in dieser Beilage zeigen den Widerstand von Berliner Mietern gegen Wohnungsnot – und auf Seite 2 das Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel in Wien

Es ist noch nicht lange her, da war der Begriff der Gentrifizierung nur in einschlägigen soziologischen Fachkreisen und bei Stadtplanern bekannt. 2010 stand das Wort, das grob zusammengefasst die Verdrängung von weniger zahlungskräftigen Mietern in bestimmten Vierteln durch den Zuzug von Besserverdienenden bedeutet, noch nicht im Duden. Heute kennt das Wörterbuch gleich mehrere Einträge dazu, definiert den Prozess blumig als »Aufwertung«, spart aber zumindest den Aspekt der Verdrängung nicht aus, der damit einhergeht.

Denn wie so oft zeigt sich die Gewalt, die zur kapitalistisch verfassten Gesellschaft gehört wie die Ausbeutung des Arbeiters zur Akkumulation von Kapital, nicht auf den ersten Blick, ist für die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft nicht von Belang, spielt in den großen Zeitungen keine Rolle. Dabei finden Zwangsräumungen von Menschen, die sich ihre immer weiter steigende Miete nicht mehr leisten können, Tag für Tag statt. Wohnungslosigkeit ist in der BRD für Hunderttausende ein Dauerzustand. Und das wachsende Problem, aus seinem vertrauten Wohnumfeld herausgerissen zu werden, weil ein Immobilienkonzern seine Konkurrenten ausstechen und seinen Aktionären eine hübsche Dividende bieten will, wird nur deswegen mehr und mehr zur Kenntnis genommen, weil es im zunehmenden Maße die viel beschworene »Mitte« der Gesellschaft trifft. Auch hier wiederholt sich Altbekanntes: Der Mythos der Leistung belohnenden und Aufstieg ermöglichenden, sozialstaatlich organisierten Gesellschaft entlarvt sich als blendender Schein – als Ideologie, deren Zweck es ist, die Profitmacherei von Konzernen abzusichern.

Doch bleibt diese Gewalt nicht unbeantwortet. So berechtigt die vielschichtige Kritik an der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« im einzelnen auch sein mag – etwa wegen möglicherweise üppiger Entschädigungszahlungen für große Immobilienunternehmen –, die Aktivistinnen und Aktivisten haben schon jetzt viel erreicht. Mehr als eine Million Menschen stimmten bei dem Volksentscheid am 26. September für ein Anliegen, das mit dem Begriff der »Enteignung« erwartbare antikommunistische Reflexe bei der Gegenseite hervorrief. Schon im Vorfeld wurden die Quoren für die zu sammelnden Unterschriften weit übertroffen. Nun wird sich zeigen, wie die sehr wahrscheinlich gewordene Neuauflage eines Senats von SPD, Grünen und Die Linke mit dem Votum umgeht. Strahlkraft hat das Berliner Beispiel aber ohnehin schon – wenngleich bereits vorher in vielen deutschen Städten Mieter gegen Verdrängung aktiv waren, Aktivistinnen leerstehende Gebäude besetzten, oder für ein Recht auf Wohnen demonstriert wurde. Zusätzliche Sprengkraft könnte das Thema in den nächsten Monaten durch weiter steigende Coronainfektionszahlen bekommen. Denn in der Pandemie haben Quarantänepflicht und Homeoffice-Regelung deutlich gemacht, wie wichtig ein sicheres, bezahlbares und der Größe des eigenen Haushalts angemessenes Wohnen für alle ist.

In der vorliegenden Beilage richtet sich der Blick nicht nur auf die BRD. Beispielhaft wird die Lage in Österreich, Schweden und Polen dargestellt. Dabei zeigt sich, dass neoliberale Politik im Sinne von Privatisierung vormals kommunaler Wohnungsbestände und Verdrängung von alteingesessenen Mietern bei gleichzeitig sprudelnden Gewinnen von Immobilienkonzernen vielerorts zu Verwerfungen führt – und Protest dagegen notwendig macht. Weitere Beiträge widmen sich Entwicklungen hierzulande: den steigenden Energiepreisen für Mieter, dem Ausverkauf von ostdeutschen Immobilien und der Berliner Enteignungsinitiative. Abgerundet wird die Beilage durch einen Beitrag über die positive Entwicklung in Kuba nach der Revolution – wenngleich neue Probleme heute nach neuen Lösungen verlangen. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen!

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