Kampf um nationale Rechte
Von Emre ŞahinDie diesjährige Nahostbeilage der jungen Welt hat den Schwerpunkt Kurdistan. 1916 durch das »Sykes-Picot-Abkommen« zwischen Briten und Franzosen auf vier Länder aufgeteilt, kämpft das staatenlose Volk in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran für seine nationalen Rechte. Dabei kann die Thematik Leserinnen und Leser durchaus schon mal verwirren: Aus kurdischer Sicht ist diese Heimat nämlich besetzt, weswegen ungern Begriffe wie Osttürkei oder Nordirak verwendet, und statt dessen die Gebiete – in derselben Länderreihenfolge wie oben – Bakur (Norden), Rojava (Westen), Basur (Süden) und Rojhelat (Osten) genannt werden.
Aber der Krieg in Kurdistan ist keineswegs nur auf Westasien beziehungsweise den Nahen Osten beschränkt. In der BRD beispielsweise lebt mit etwa einer Million Kurdinnen und Kurden die größte Diaspora. Im Verfassungsschutzbericht wird die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hierzulande regelmäßig als größte »linksextremistische Gruppierung« aufgeführt. Bereits das Deutsche Reich lieferte mit der Bagdadbahn – gebaut unter Leitung Georg von Siemens mit Beteiligung der Friedrich Krupp AG, Borsig und Krauss-Maffei – auch die Linien für die spätere Teilung Kurdistans. Die Eisenbahnstrecke sollte den Rohstofftransport aus den ausgebeuteten kurdischen Gebieten im damaligen Osmanischen Reich ins Deutsche Reich vereinfachen. Auch heute florieren nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der BRD und der Türkei. Kurdinnen und Kurden, die aufgrund politischer Verfolgung nach Deutschland flüchteten, in der Hoffnung hier Ruhe zu finden, wurden enttäuscht. Wie die Kriminalisierung durch die deutschen Behörden konkret aussieht, schreibt Elmar Millich auf Seite 2 dieser Beilage.
Seinem Beitrag folgt der Text von Kamal Chomani über die Situation in der Autonomen Region Kurdistan im Irak (KRG). Anfang des Jahres steckten Tausende Geflüchtete mitten im Winter an der Grenze zwischen Belarus und Polen fest, weil die EU auf Abschottung setzt und offensichtlich kein Problem damit hat, Menschen in Wäldern erfrieren zu lassen. Ein Großteil der Schutzsuchenden kam aus der KRG. Chomani beleuchtet die Hintergründe, die zur Flucht beitragen.
Yusuf Karadas widmet sich in seinem Artikel der 100 Jahre alten »kurdischen Frage« in der Türkei. Er zeichnet den Umgang Ankaras mit seiner – nach dem Genozid an den Armeniern und der Zwangsumsiedlung der Griechen – verbliebenen größten Minderheit des Landes nach. Dabei zeigt er auch Schwachstellen in der Politik der linken, prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) auf.
Ihm folgt auf Seite 6 der Beitrag Meral Ciceks zur kurdischen Frauenbewegung. Sie vermittelt ein Bild von ihren Organisationsstrukturen und Kämpfen. Zumeist werden diese nämlich im Westen verschwiegen und die Kämpferinnen selbst exotisiert, so geschehen bei Asia Ramazan Antar. Als sie 2016 im Kampf gegen den »Islamischen Staat« in Syrien starb, meldeten zahlreiche deutsche Zeitungen ihren Tod mit der Schlagzeile: »Kurdische Angelina Jolie gestorben«.
Die Seiten 7 und 8 widmen sich Rojava, der De-facto-Autonomieregion im Norden Syriens, die in diesem Sommer ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Zunächst beschäftigt sich Karin Leukefeld mit den Interessen des Westens im Syrienkrieg sowie der Ausnutzung der Kurden im Konflikt mit Damaskus. Anschließend schreibt Nick Brauns über die Allianz zwischen kurdischer Befreiungsbewegung und kommunistischen Vereinigungen aus der Türkei. Die sind auch in Rojava aktiv. Der geplante Beitrag zu Kurden und Iran konnte kurzfristig nicht zustandekommen.
Die Fotos dieser Beilage stammen von der Dokumentarfotografin Sonia Hamad. Für ihre Serie »Jin, Jiyan, Azadi – Women, Life, Freedom« hat sie kurdische Freiheitskämpferinnen in Nordsyrien und im Nordirak porträtiert.
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