Klima in der Krise
Von Raphaël SchmellerHitzewellen in Europa und China, katastrophale Überschwemmungen in Pakistan, Dürren am Horn von Afrika, Brände historischen Ausmaßes in den USA … Extremwetterereignisse infolge der Klimakrise treten nicht nur immer häufiger auf, sondern werden auch immer verheerender. Ohne »radikale Maßnahmen« wird sich die Situation drastisch verschärfen und werden vor allem die schwächsten Bevölkerungsgruppen noch stärker betroffen sein, warnen die Vereinten Nationen in einem Bericht vom 13. September. Der Klimawandel habe »eine ungeahnte zerstörerische Tragweite erreicht«, schreibt UN-Generalsekretär António Guterres. Gleichzeitig gerate die Welt jedes Jahr tiefer in die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
Tatsächlich sind die Treibhausgasemissionen, die hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl und Gas) verursacht werden, wieder kräftig angestiegen. Im Jahr 2021 lagen sie bereits wieder auf dem Niveau von vor der Coronapandemie, die 2020 noch zu einem leichten Rückgang der Abgase geführt hatte. In diesem Jahr ist es nun noch schlimmer geworden: Die zwischen Januar und Mai 2022 verzeichneten weltweiten CO2-Emissionen liegen um 1,2 Prozent über denen des gleichen Zeitraums im Jahr 2019. Und das, obwohl 2019 ein Rekordjahr in Sachen CO2-Ausstoß war. Im Mai 2022 erreichte die Kohlenstoffdioxid-Konzentration 421 Parts per million (ppm) – ein Wert, der seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr erreicht wurde, so das Forschungsprojekt »Global Carbon Project«.
Verantwortung für diese aktuellen Entwicklungen trägt zum großen Teil auch die Ampelkoalition. Zwar regieren seit bald einem Jahr die Grünen mit SPD und FDP, konsequenter Klimaschutz steht aber trotzdem nicht auf der Tagesordnung – im Gegenteil. Im Zuge des Ukraine-Kriegs wurde der Weg freigemacht für ein spektakuläres Comeback fossiler Energieträger. In Zukunft sollen in Europa Flüssigerdgas, Kohle und Atomkraft »Putins Gas« ersetzen, so der Plan, der allen voran von der ehemaligen deutschen »Ökopartei« forciert wurde. Die Gewinner dieser Politik heißen Shell, Total Energies, Exxon oder RWE, die in den vergangenen Monaten Rekordgewinne verbuchen konnten. Konzerne und Aktionäre werden so dafür belohnt, dass sie den Planeten zerstören.
Konsequenter Klimaschutz müsste eigentlich genau dort, also bei den Superreichen anfangen. Nicht nur schlagen sie Profit aus dem Geschäft mit fossilen Energieträgern. Sie verursachen durch ihren Lebensstil auch noch zigfach mehr klimaschädliche Treibhausgase als der Rest der Menschheit. Die Pro-Kopf-Emissionen der zum reichsten ein Prozent der Weltbevölkerung gehörenden Personen wird im Jahr 2030 30 Mal größer sein, als es mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad verträglich wäre, so eine Oxfam-Studie. Die Emissionen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung dagegen werden auch noch 2030 weit unter dieser Grenze liegen. Der Klassencharakter der Klimakrise wird auch noch an diesem Beispiel deutlich: Mit einem einzigen Weltraumflug verursacht ein Milliardär mehr Emissionen, als jemand aus der ärmsten Milliarde Menschen in einem ganzen Leben zusammenbringt.
Die Krisenverursacher sind also bekannt. Doch all das geht in der im Westen immer größer werdenden Kriegseuphorie unter. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Ukraine-Krieg die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert – die Bewältigung der Klimakrise – in den Hintergrund gerückt hat.
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