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Aus: Krieg und Frieden, Beilage der jW vom 28.08.2024
Friedensbewegung

Jung und gegen Krieg

Nach der »Zeitenwende«: Zum Zustand der jungen Friedensbewegung in Deutschland
Von Fabian Linder
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Wachsen in einer verheerten Welt auf: Mann mit zwei kleinen Kindern vor einer UN-Schule für Vertriebene im Gazastreifen (Nuseirat, 16.7.2024)

Mit der »Zeitenwende« verschob sich die politische Grundstimmung in Deutschland zu einer deutlichen Militarisierung nach innen wie außen. Die traditionelle Friedensbewegung befindet sich in der Defensive. Die sich im Militarisierungsdiskurs überbietenden Parteien richten ihren Fokus vielfach auf junge Menschen, die durch verschiedene Krisen belastet werden. Wachsende Kriegsgefahr, unzureichender Klimaschutz und vermehrte Unsicherheiten werden von Studien als Treiber gesehen, weshalb Jugendliche besorgt in die Zukunft blicken. Wie positioniert sich in dieser Gemengelage eine junge Friedensbewegung, bestehend aus politischen und gewerkschaftlichen Jugendverbänden sowie sozialer und Klimaschutzbewegung?

Militarisierung der Bildung – wie zuletzt in Bayern gesetzlich verankert – ist ein Kritikpunkt, der Jugendorganisationen vielfach verbindet. Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), Nachwuchsorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), kritisiert ein von Lehrermangel und Selektion geprägtes Bildungssystem und schließt sich der Kritik der Bildungsgewerkschaft GEW an, dass »Schule kein Ort zur Nachwuchsrekrutierung« ist. Kooperationsvereinbarungen zwischen Heer und Schule sollten aufgelöst werden. Auch die DGB-Jugend positionierte sich in den vergangenen Jahren gegen Jugendoffiziere an Schulen. Die Jugendorganisation der Linkspartei sprach sich in der Vergangenheit ebenfalls deutlich für eine »militärfreie Bildung« aus. Wie andere Verbände schloss sich die Linksjugend der Forderung nach einem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bildung an. Gegen Jugendoffiziere spricht sich auch die Grüne Jugend aus und lehnt Nachwuchswerbung an Schulen wie eine erneute Wehrpflicht strikt ab. Befürwortet werden von allen Zivilklauseln an Hochschulen, um militärische Forschung auszuschließen.

Anders sieht es bei der SPD-Jugend, den Jusos, aus. In den Bundesbeschlüssen der Jungen Sozialdemokraten findet sich keine Kritik an der Militarisierung der Bildung. Statt dessen wird eine veränderte Positionierung der Jusos wahrnehmbar. Betonten frühere Bundesbeschlüsse bis ins Jahr 2022 noch eine antimilitaristische Grundhaltung, so ist der Begriff Militarismus im Zuge des vorjährigen Bundeskongresses aus den Beschlüssen verschwunden. Befürwortet wird hingegen militärische Hilfe für die Ukraine, wobei angesichts der hohen Militärausgaben auch eine Stärkung der zivilen Infrastruktur gefordert wird. 2022 widmeten sich die Jusos dieser sogar in einem eigenen umfangreichen Antrag. Dort versuchte der Verband noch einen Brückenschlag zwischen einem »ausdifferenzierten« Antimilitarismus und der »Notwendigkeit« von Waffenlieferungen. Gefordert wurde auch eine umfangreiche Reform der Bundeswehr.

Bei der Gewerkschaftsjugend des DGB setzte man sich 2021 noch stark mit Konversionsstrategien auseinander, um im Zuge einer angestrebten militärischen Abrüstung bestehende Produktionsketten für Rüstungsgüter auf zivile Güter umzustellen. Das wird auch gegenwärtig noch als relevant betrachtet und der Protest von Gewerkschaften gegen Krieg betont. Eine Resolution zum Ukraine-Krieg macht aber auf die Diskrepanz zwischen militärischer Friedenssicherung und sozialem Frieden aufmerksam. Rüstungsinvestitionen dürften nicht zu Lasten humanitärer, sozialpolitischer und Investitionen zur sozial-ökologischen Transformation gehen.Deutliche Kritik an Aufrüstung

Die SDAJ sieht im Sondervermögen der Bundeswehr eine Aufrüstung, die den Sanierungsstau in vielen gesellschaftlichen Bereichen vergrößert. Als Hintergrund wird allen voran die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen seitens der Bundesrepublik und der verbündeten NATO-Staaten genannt. In diesem Rahmen sieht der Verband Sanktionen des Westens gegen andere Staaten kritisch, da auch diese für die Bevölkerung »häufig nicht weniger brutal als Kriege selbst« seien. Bei der Linksjugend sieht man sich in einer internationalistischen Tradition mit Bezug auf die historische Friedensbewegung. Konversionsstrategien, Abrüstung und eine Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung werden dafür als Argument genommen.

In einem Länderratsbeschluss der Grünen Jugend, welcher im Juli in Berlin gefasst wurde, zeigt sich eine deutliche Kritik an weiterer Aufrüstung, da diese der Sicherung nationalstaatlicher und imperialer Interessen diene. Und zwar auch auf westlicher Seite. Krieg und Militarisierung sei im Kampf um den Zugriff auf Ressourcen wesentlicher Teil eines globalen kapitalistischen Systems, was zeitgleich dazu führe, dass Diplomatie und Friedenssicherung aus dem Blick geraten.

Die Klimaschutzbewegung zieht eine Verbindung von friedenspolitischen Fragen zum Klimaschutz. Die deutsche Sektion von »Fridays for Future« (FFF) nimmt Bezug auf das 100-Milliarden-Sondervermögen und fordert ein solches für wirksamen Klimaschutz. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs beteiligte sich FFF an Demonstrationen für einen Frieden in der Ukraine und forderte von der Bundesregierung einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energieträger Erdgas und Erdöl, da Klimagerechtigkeit und Frieden untrennbar miteinander verbunden seien.

Die Positionierungen zum Thema Krieg von politischen Jugendverbänden sind ein Abbild der diversen jungen Friedensbewegung. Zwar gibt es einzelne Felder wie Militarisierung und Bildung oder die Wehrpflichtdebatte, welche die politisch zum Teil sehr unterschiedlichen Jugendverbände gleichermaßen angehen. Dennoch zeigen sich auch gravierende Unterschiede, die sich insbesondere in den Jahren während des Ukraine-Kriegs zutage traten.

Fabian Linder schreibt als freier Autor regel­mäßig für junge Welt und lebt in Bayern

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