Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Recht auf Wohnen, Beilage der jW vom 06.11.2024
Forderungen zur Bundestagswahl

Appell für garantiertes Grundrecht

Dokumentiert: Wohnungslosenhilfe legt Forderungskatalog für Bundestagswahl 2025 vor
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An den Ursachen für massenhafte Wohnungslosigkeit soll staatliches Handeln nicht länger vorbeigehen (Stuttgart, 10.1.2019)

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Beilage vermitteln Kommentare der Hauptstadtpresse und Einlassungen von Parteienvertretern dem Publikum am laufenden Band den Eindruck, dass die Neuwahl des Bundestages jederzeit durch den Bruch der Ampelkoalition vorgezogen werden könnte. Turnusgemäß ist die Wahl des 20. Bundestags für den 28. September 2025 vorgesehen. Mit Blick auf diese Neusortierung der parlamentarischen Kräfteverhältnisse in Berlin hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. einen 12seitigen Forderungskatalog vorgelegt. Darin beschränkt sich der bundesweite Zusammenschluss sozialer Dienste und Einrichtungen nicht auf die bloße Versorgung von Menschen mit einem Dach über dem Kopf. An dieser Stelle dokumentieren wir das Papier in Auszügen. (jW)

Präambel

(…) Die Wohnungsnot ist eine der größten Herausforderungen für die Politik. Wohnen ist ein fundamentales Menschenrecht und sollte als solches in der Verfassung verankert werden. Sicheres und angemessenes Wohnen ist die Basis für ein menschenwürdiges Leben, es fördert die persönliche Entfaltung und ermöglicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Der Zugang zu Wohnraum ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch Voraussetzung für Gesundheit, Bildung, Arbeit und wirtschaftliche Stabilität. Jeder Mensch, unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder Lebensumständen, sollte das einklagbare Recht auf eine Wohnung, die Schutz, Sicherheit und Geborgenheit bietet, erhalten.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss den sozialen Status bzw. die Wohnungslosigkeit in Paragraph 1 aufnehmen, um Ungleichbehandlung und strukturelle Diskriminierung ahnden zu können. Es ist eine sozialstaatliche Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Menschen ein Leben in angemessenem und bezahlbarem Wohnraum ermöglichen. Wir fordern daher die Politik und alle relevanten Akteure auf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die das Recht auf Wohnen für alle garantieren und die Vielfalt der Lebensrealitäten respektieren.

Der Zugang zu allen existenziellen Lebensbereichen wie Erwerbsarbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, soziale und digitale Teilhabe sowie Partizipation muss für von Wohnungsnot bedrohte oder betroffene Menschen gewährleistet sein. Für Menschen in Wohnungsnotfallsituationen bedeutet dies auch den uneingeschränkten Zugang zu Angeboten der Notversorgung. (…) Es fehlt nicht an Wissen und Kompetenz, sondern an einer Gesamtstrategie. Wir appellieren daher an Sie, der sozialen Ungerechtigkeit entgegenzuwirken und unsere Forderungen in Ihre Parteiprogramme aufzunehmen.

Kommunalpolitik

Der öffentliche Wohnungsbestand muss durch Vorkaufsrechte für Kommunen und eine Gemeinwohlorientierung erhöht werden. Zudem ist die Förderung der Konzeptvergabe sowie die Einführung einer Wohngemeinnützigkeit mit ausreichenden Anreizen notwendig, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Bund muss die Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau erheblich erhöhen. Es braucht feste Wohnungskontingente für wohnungslose Menschen und bedarfsgerechte Neubauten. Eine soziale Miet- und Wohnungspolitik mit langfristiger Sozialbindung für geförderte Wohnungen ist dabei unerlässlich.

Ein flächendeckender Ausbau eines präventiven Systems zur Verhinderung von Wohnungsverlusten ist notwendig. Zentrale Fachstellen und Beratungsstellen gemäß den Paragraphen 67 ff. SGB XII sollten bundesweit eingerichtet werden, um gefährdete Personen frühzeitig zu unterstützen. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen sollte der Bund ein Förderprogramm mit 50 Millionen Euro über vier Jahre einführen. Die Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit müssen gesetzlich ausgeschlossen werden. Eine Räumung darf nur dann stattfinden, wenn ein zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung steht.

(…) Es sollten verbindliche Standards für eine menschenwürdige und geschlechtergerechte Unterbringung eingeführt werden. Ein integriertes Notversorgungskonzept muss entwickelt werden, das Einzelzimmer und 24/7-Unterkünfte umfasst. Darüber hinaus ist die langfristige Sicherung niedrigschwelliger Angebote zu gewährleisten. Der Bund muss im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die Kommunen einwirken.

Arbeits- und Sozialpolitik

(…) Die Verhinderung von Wohnungsverlust sollte ein expliziter Präventionsauftrag der Jobcenter werden. Bei allen aktiven und passiven Leistungen der Jobcenter ist das Thema Wohnungslosigkeit zu berücksichtigen. Es setzt folgende Bedingungen voraus: Ein niedrigschwelliger und der Lebenswelt wohnungsloser Menschen angepasster Zugang zu den Hilfen muss sichergestellt werden. Die Definition der Angemessenheit von Mieten nach dem SGB II/XII und die Anpassung von Sozialmieten muss sozialverträglich gestaltet werden (…). Soweit Leistungsminderungen/Sanktionen als notwendig angesehen werden, sind diese so zu gestalten, dass keine Miet- und Energieschulden entstehen können. Die Übernahme von Miet- und Energieschulden ist niedrigschwellig und unkompliziert zu gestalten. Die Mietschuldenübernahme [sollte] (…) auch als Beihilfe möglich sein.

Es sollten Regelungen aufgenommen werden, nach denen etwa nach einer sechs Monate andauernden Wohnungslosigkeit die Richtwerte zur Beurteilung der Angemessenheit der [Kosten der Unterkunft] um z. B. 30 Prozent überschritten werden können, ohne dass es einer besonderen Begründung bedarf. Die Energieversorgung muss sichergestellt werden, um soziale Härten zu vermeiden. Daher sollte die Grundsicherung an steigende Wohn- und Energiekosten angepasst werden, um Bedarfsunterdeckung zu verhindern. Es bedarf einer verlässlichen Arbeitsmarktintegration von Menschen in Wohnungsnotfallsituationen, die ihre Lebenslage berücksichtigt. (…)

Gesundheitspolitik

(…) Der Bund soll sicherstellen, dass wohnungslose Menschen uneingeschränkten Zugang zur medizinischen Versorgung haben, indem der kassenärztliche Sicherstellungsauftrag ausgeweitet wird. Der Zugang zur Krankenversicherung muss gesichert werden. Der Erlass von Krankenkassenbeitragsschulden senkt Barrieren und ermöglicht die Rückkehr in das reguläre Gesundheitssystem. Zur Klärung des Krankenversicherungsschutzes braucht es den bundesweiten Ausbau von Clearingstellen, gefördert durch den Bund.

Zur Notfallversorgung nichtversicherter Patient:innen bedarf es eines Härtefallfonds auf Bundesebene von GKV, KBV und öffentlicher Hand. Medizinische Angebote für Menschen in Wohnungsnotfallsituationen sind bereits etablierter Bestandteil in der ambulanten Versorgung, dafür braucht es eine ausreichende und langfristig abgesicherte Finanzierung. Wohnungslose Menschen müssen als besondere Zielgruppe im Präventionsleitfaden des Bundes explizit aufgenommen werden. Präventions- und Gesundheitsvorsorge sollten niedrigschwellig gestaltet werden, um einer Verschlimmerung von Krankheiten vorzubeugen und das Risikobewusstsein zu schärfen. (…)

Rechtspolitik

(…) Um Wohnungslosigkeit bei inhaftierten Menschen zu verhindern, (…) muss eine landesgesetzliche Vorschrift eingeführt werden, die vorschreibt, dass bei Inhaftierung die Justiz sowohl das Jobcenter als auch den Träger der Sozialhilfe über einen drohenden Wohnungsverlust informieren muss. So wird sichergestellt, dass die Übernahme der Mietkosten gemäß den Paragraphen 67 ff. SGB XII rechtzeitig organisiert werden kann. Bei kurzzeitiger Inhaftierung bis 12 bzw. 18 Monate müssen Mietkosten gesichert sein. Jobcenter müssen Bürgergeldanträge bereits vor Entlassung bearbeiten, um eine nahtlose finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. (…)

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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