Gegründet 1947 Freitag, 17. Januar 2025, Nr. 14
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Migration, Beilage der jW vom 11.12.2024
Migration

Torschlusspanik vor Trump

Einwanderungsregulierung als Instrument der US-Hegemonie: Für südamerikanische Staaten verschärft sich eine schon lange bestehende Situation
Von Elias Korte, Bogotá
6.JPG
Der »Coyote« (Schlepper), der Rossana und Widman über den Fluss bringen sollte, ertrank beinahe selbst (Coahuila, 24.2.2024)

Die Wiederwahl des künftigen US-Präsidenten Donald Trump löste unmittelbar eine Migrationsbewegung aus. Da der republikanische Kandidat in seiner Kampagne drastische Verschärfungen der Einwanderungsgesetze angekündigt hatte, setzte eine Art von Torschlusspanik ein. Kurz nach dem Wahlsieg Trumps Anfang November machte sich eine Migrantenkarawane von Tapachula in Südmexiko auf den Weg in Richtung USA. Ihr Ziel: Vor Trumps Amtsantritt in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Vom mexikanischen Bundesstaates Chiapas an der Grenze zu Guatemala hatten sich in den vergangenen Jahren immer wieder Karawanen in Bewegung gesetzt. Die aktuell aus rund 3.000 Menschen bestehende Bewegung ist die erste dieser Art seit dem Amtsantritt der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum.

Über den Landweg vom südamerikansichen Kontinent müssen Migranten auf ihrem Weg nach Norden durch Kolumbien. Sie passieren das Darién Gap, den dichten Dschungel im Grenzgebiet zu Panama. Der beschwerliche Weg durch den Regenwald dauert unter widrigsten Bedingungen etwa neun Tage und lässt sich am treffendsten als eine humanitäre Tragödie beschreiben: Viele Migranten werden Opfer von Überfällen, Erpressung und sexualisierter Gewalt, leiden unter Hunger, Durst und Insektenstichen. Im Jahr 2023 gelangten auf dieser Route 520.000 Migranten nach Panama, darunter 113.000 Kinder. Diese offiziellen Angaben konstatieren eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr, dürften aber nur einen Teil der tatsächlichen Migrationsbewegungen abbilden.

Im Jahr 2023 kooperierte Panamas Regierung bei der Abwehr von Migranten enger mit den USA. Das mittelamerikanische Land erhält finanzielle Unterstützung für Deportationsflüge der aufgegriffenen Menschen in ihre Herkunftsländer. Unter anderem hatte Panama fünf häufig genutzte Routen im Dschungel dichtgemacht und die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen zur Unterstützung von Migranten erschwert. Kolumbien, das für die USA ebenfalls als Türsteher fungieren und die Migrationsbewegungen überwachen soll, zeigt sich unter der Regierung von Gustavo Petro in dieser zugewiesenen Rolle deutlich weniger willfährig.

Die Migration aus Süd - und Mittelamerika sowie der Karibik ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema in den Beziehungen zwischen dem Nord- und dem Südteil des amerikanischen Doppelkontinents. Die USA sind Zeit ihres Bestehens das Ziel von Migrationsbewegungen gewesen, der Landweg vom Süden in die USA wird nicht nur von Lateinamerikanern, sondern von Menschen aus aller Welt, etwa aus Bangladesch oder dem Kongo genutzt.

Die US-Einwanderungspolitik schwankte in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zwischen eher offeneren- und restriktiven Phasen. Mit der ersten Präsidentschaft von Donald Trump zwischen 2017 und 2021 hatte die Repression aber eine bis dato neue Härte erhalten, die das Verhältnis der USA zu Lateinamerika nachhaltig veränderte. Durch den Bau einer südlichen Grenzmauer zu Mexiko und eine geringere jährliche Obergrenze sollte die Einwanderung auf US-Gebiet streng kontrolliert und limitiert werden. Die Zahl erfolgreicher illegalisierter Einreisen ging dadurch zurück, die der Asylanträge nahm jedoch zu. Das Entstehen von Migrantenkarawanen belastete die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko, wodurch sich Mexiko gezwungen sah, verstärkt den Vorstellungen der US-Grenzpolitik zu folgen.

Im vergangenen Wahlkampf ließ Trump keine Zweifel aufkommen, dass er an die Migrationspolitik seiner ersten Amtszeit anknüpfen möchte. Der politische und wirtschaftliche Druck der USA auf die südamerikanischen Staaten dürfte sich künftig verstärken. In seiner Kampagne hatte Trump zudem eine drastische Abschiebeoffensive angekündigt, von der etwa elf Millionen Migranten ohne Aufenthaltsstatus in den USA betroffen wären. Über 500.000 Migranten aus Lateinamerika haben seit 2022 einen Schutzstatus durch das Programm Parole. Es richtet sich vor allem an Menschen aus Venezuela, Kuba, Nicaragua und Haiti. Auch sie betrachtet Trump als illegal.

Ein weiterer Mechanismus, der mit der Regierungsübernahme von Trump vor dem Aus steht, ist der TPS – temporale Schutzstatus für Personen –, denen in ihrer Heimat durch Gewalt oder Hunger möglicherweise der Tod drohen würde. Von dem TPS profitieren rund 330.000 Personen, vor allem aus El Salvador, Honduras und Haiti. Nicht zuletzt hat Trump angekündigt, Babys papierloser Migranten zukünftig nicht mehr automatisch die US-Staatsbürgerschaft zu zuzugestehen.

Diese Ankündigungen tatsächlich umzusetzen, wäre demographisch wie volkswirtschaftlich Irrsinn: Dem Forschungszentrum Pew zufolge verzeichneten die USA im Jahr 2022 den höchsten je erhobenen Anteil von Migranten an ihrer Bevölkerung. Mexikaner machten demnach die größte Gruppe der gut 46 Millionen im Ausland geborenen US-Einwohner aus. Der Bevölkerungsanteil von Migranten hat sich den Forschern zufolge in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht; längst ist die Wirtschaft des Landes auf die stetige Zuwanderung von Menschen angewiesen. Denn Migranten, vor allem jene ohne legalen Status, zahlen in den USA Steuern, ohne dass sie gleichzeitig Leistungen des Staates in Anspruch nehmen können. Branchen wie Landwirtschaft, Bauwesen und der Dienstleistungsbereich würden bei stärker beschränkter Einwanderung Arbeitskräfte verlieren. Die Folgen für den Steuerhaushalt, Produktions- und Preisentwicklung wären verheerend.

Dennoch ist mit einer Verschärfung in der zweiten Trump-Präsidentschaft zu rechnen; etwa dem Ausbau der Grenzbefestigung zu Mexiko. Asylverfahren sollen künftig ebenfalls von dort aus durchlaufen werden müssen. Diese »Remain-in-Mexiko«-Politik dürfte den innenpolitischen Druck auf die mexikansiche Regierung erhöhen und rechte Tendenzen stärken. Neben Mexiko geraten auch die Herkunftsländer der Migranten unter verstärkten Druck, mit dem sich die Staaten gegeneinander ausspielen lassen. Mit seiner Regierungsmehrheit kann Trump über den Hebel der US-Migrationspolitik weiterhin erheblichen Einfluss auf die geopolitische und wirtschaftliche Lage Lateinamerikas ausüben.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Mexikanische Beamten stehen an der Stelle des Río Grande, wo am ...
    27.06.2019

    Trumps Gehilfen

    US-Abschottungspolitik fordert weitere Todesopfer. Kritik an Mexikos Umgang mit Migranten wird lauter
  • US-Außenminister Rex Tillerson am Mittwoch abend nach der Landun...
    24.02.2017

    Trumps Männer im Hinterhof

    US-Außenminister Rex Tillerson zu Besuch in Mexiko eingetroffen. Dortige Regierung übt sich in Gehorsam

Mehr aus: Ausland

Alle redaktionellen Beiträge zur RLK25 sind nun hier verfügbar