Trauer und Kampf
Von Peter Steiniger, Salvador da BahiaIhr Tod ist ein Schock für die linken und demokratischen Kräfte Brasiliens. Am Mittwoch (Ortszeit) fiel die populäre Politikerin Marielle Franco von der Partei Sozialismus und Freiheit (PSoL) im Zentrum von Rio de Janeiro dem Anschlag eines professionell agierenden Killerkommandos zum Opfer. Bei der Rückkehr von einer Veranstaltung einer Bewegung schwarzer Frauen war ihr Fahrzeug in der Rua Joaquim Palhares von einem anderen Auto eingeholt und von diesem aus unter Feuer genommen worden. Vier der neun abgegebenen Schüsse trafen die auf dem Rücksitz befindliche Politikerin in den Kopf. Auch der Fahrer des Fahrzeugs wurde tödlich getroffen, eine Mitarbeiterin der Politikerin verletzt.
Die Stadträtin, selbst in einem Armenviertel der Metropole aufgewachsen, hatte sich besonders für die Belange der Favelabewohner eingesetzt. Sie machte sich für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Stadt und für mehr Geburtshäuser in den Vierteln stark. Seit zwei Jahren gehörte Franco Rios Stadtparlament an, wo sie die Kommission für Frauenrechte leitete. Den von der Temer-Regierung angeordneten Einsatz der Armee gegen die Kriminalität kritisierte Franco als untaugliches Mittel und entlarvte ihn als politisches Manöver. Teile von Polizei und Militär sind selbst in kriminelle Netzwerke involviert.
Die Soziologin setzte sich besonders mit den Ursachen der Gewalt in den Favelas auseinander und kritisierte immer wieder das brutale Vorgehen der Einsatzkräfte gegen deren Bewohner, besonders die schwarze Jugend dort. Nur einen Tag vor ihrem eigenen hatte Franco auf Twitter die Militärpolizei für den Tod eines 23jährigen verantwortlich gemacht, den Schüsse trafen, als eine Kirche verließ. »Wie viele müssen noch sterben, damit dieser Krieg endet?« fragte sie.
Alles spricht für einen politischen Hintergrund der Tat. Die Behörden versprechen intensive Ermittlungen zur Ergreifung der Täter, linke Politiker und Menschenrechtler – darunter Amnesty International – fordern Aufklärung. Der Mord überschattet auch das derzeit im nordostbrasilianischen Salvador stattfindende Weltsozialforum (WSF), auf dem heute auch Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT auftreten wird. Die PT-Vorsitzende Gleisi Hoffmann würdigte die PSoL-Politikerin als »Kämpferin«, den Mord bezeichnet sie in einer Erklärung als »ein Verbrechen, das sich direkt gegen Bürger und die Demokratie richtet«. Am Donnerstag morgen versammelten sich viele WSF-Teilnehmer zu einem Protestmarsch. Hochrufe auf Marielle Franco waren zu hören, in kurzen Ansprachen wurde die Notwendigkeit von mehr Einheit unter Brasiliens Linkskräften betont. An vielen Orten Brasiliens riefen Aktivisten zu Versammlungen auf, um der ermordeten Stadträtin zu gedenken und die Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung anzuprangern.
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