Marielles Killer verwendete Polizeimunition
Von Peter SteinigerDie bei dem Mordanschlag gegen die linke Kommunalpolitikerin Marielle Franco am Mittwoch in Rio de Janeiro verwendete Munition vom Typ UZZ-18 stammt aus Chargen, die an die Bundespolizei verkauft wurden. Das berichten brasilianische Medien unter Berufung auf die Ermittler. Nach den Aussagen der Behörden kamen die dreizehn Schüsse auf das Auto, in dem Franco saß, aus einer Pistole vom Kaliber neun Millimeter. Beim Fahrzeug der Täter vom Typ Cobalt wurde das Nummernschild eines anderen, ihm gleichenden Cobalts verwendet.
Die für die Rechte der Favelabewohner engagierte Politikerin der Partei Freiheit und Sozialismus (PSoL) war bei der Rückkehr von einer antirassistischen Veranstaltung ermordet worden. Mit ihr starb der Fahrer des Fahrzeugs, eine Mitarbeiterin wurde verletzt. Marielle Franco gehörte auch einer Kommission an, die die Verletzung von Bürger- und Menschenrechten im Zusammenhang mit der Übertragung von Machtbefugnissen an die Armee im Bundesstaat Rio de Janeiro durch Präsident Temer untersucht.
In Rio de Janeiro sind Teile der Polizei mit dem organisierten Verbrechen verstrickt. Die Militärintervention dient dem Sicherheitsempfinden der mittleren und oberen Schichten, die Bewohner der Favelas werden pauschal als Verdächtige behandelt. Der »Drogenkrieg« zeigt Elemente einer ethnischen und sozialen »Säuberung«, vor allem schwarze junge Männer fallen, wie es in den amtlichen Statistiken heißt, »Tötungen im Zusammenhang mit Widerstand gegen polizeiliches Eingreifen« zum Opfer.
Paramilitärische Bürgerwehren (Milícias) aus aktiven oder pensionierten Polizisten, Soldaten und Sicherheitsleuten erpressen am Zuckerhut »Gebühren« und haben die lokale Politik infiltriert. In der Rangliste der gefährlichsten Städte Brasiliens liegt Rio dennoch nicht an der Spitze. Der Militäreinsatz – mit dem der Kriminalität nicht beizukommen ist – verschlingt immense Mittel, während die sozialen Probleme weiter wachsen.
Der Mord an Michelle Franco hat landesweit eine Welle von Protesten ausgelöst. Brasiliens Linkskräfte sprechen von »Trauer und Kampf«. Auch auf der Großveranstaltung »Weltversammlung zur Verteidigung der Demokratien« im Rahmen des Weltsozialforums im Pituaçu-Stadion in Salvador da Bahia am Donnerstag abend wurde der Politikerin gedacht. Die Rednerinnen und Redner aus vielen Ländern verurteilten die Tat und erklärten sich mit dem Kampf um Demokratie und soziale Rechte in Brasilien solidarisch.
Gleisi Hoffmann, Vorsitzende der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), erklärte, Marielle sei »für die Sache gestorben« und nun zu einem Symbol des Kampfes »der armen Bevölkerung, der Favela« gegen die Gewalt und den Rückschritt geworden. Die Sängerin Ana Cañas würdigte Marielle und ihren Kampf für die Rechte diskriminierter Minderheiten mit dem Song Tigresa (Tigerin) von Caetano Veloso.
An dem sehr emotionalen Meeting wirkten auch Brasiliens Expräsident Lula, der sich juristischer Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt sieht, und Manuel Zelaya aus Honduras mit, dessen Absetzung als Staatschef 2009 eine Blaupause für nachfolgende parlamentarische Putsche darstellt. Zuletzt wurde so 2016 Brasiliens legitime, gewählte Präsidentin Dilma Rousseff (PT) um ihr Amt gebracht. Mit im Bunde auf der Bühne vor Tausenden Teilnehmern und Mitwirkenden am WSF war auch die Präsidentschaftskandidatin der kommunistischen Partei PCdoB, Manuela D’Avila. Immer wieder skandierten die Massen: »Racistas! Fascistas! Não passarão!«
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