Die Geschichte gehört uns
Von Volker HermsdorfChile erinnert an den faschistischen Staatsstreich gegen die gewählte Linksregierung unter Präsident Allende vor 50 Jahren
Der von General Augusto Pinochet am 11. September 1973 angeführte Militärputsch war der Auftakt zum internationalen Siegeszug des Neoliberalismus. In Chile leitete er eine 17 Jahre dauernde faschistische Diktatur ein, in der Folter, »Verschwindenlassen«, Mord und Repression an der Tagesordnung waren. Um der Opfer zu gedenken, empfängt Chiles sozialdemokratischer Präsident Gabriel Boric an diesem Montag im Präsidentenpalast »La Moneda« zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Dort nahm sich der sozialistische Präsident Salvador Allende vor 50 Jahren das Leben, nachdem die Putschisten das Gebäude gestürmt hatten.
Absurderweise möchte Boric nun außer seinen Gästen und Vertretern antifaschistischer Parteien zum 50. Jahrestag auch ehemalige Unterstützer und bekennende Anhänger Pinochets für ein »Bekenntnis zum Schutz von Demokratie und Menschenrechten« gewinnen. Damit beißt er bei den Rechten jedoch auf Granit, die den Staatsstreich rechtfertigen, statt ihn zu verurteilen. Während die Sympathiebekundungen für Folterer und Mörder folgenlos blieben, wurde eine Gruppe linker Studenten, die sich aus Protest dagegen eine Woche vor dem Jahrestag am Hauptsitz der unter Pinochet gegründeten Rechtspartei Unión Demócrata Independiente angekettet hatten, von Spezialeinheiten der Carabineros verhaftet. Bei der Festnahme kündigten die Aktivisten weiteren Widerstand unter dem Motto »Kein Vergeben – kein Vergessen« an.
Das gelte auch für die Rolle der USA, die den Putsch vorbereitet und das faschistische Regime unterstützt hatten, um daraus ökonomischen Nutzen zu ziehen. Am Freitag übergaben der kommunistische Abgeordnete Luis Cuello und die Vorsitzende des Jugendverbandes der KP, Daniela Serrano, in der US-Botschaft ein Schreiben an Präsident Joseph Biden, in dem Schadenersatz für die Opfer des Putsches gefordert wird. Zwar spuke »das Gespenst Pinochets« noch immer in Chile, doch »auch Allende ist gegenwärtig«, kommentierte die spanische Journalistin Carmen Parejo Rendón auf RT dessen Präsenz im Alltag. Fast prophetisch hatte der gestürzte Präsident noch in seiner letzten Ansprache über Radio Magallanes am Morgen des Putsches optimistisch erklärt: »Man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte gehört uns, es sind die Völker, die sie machen.«
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