Kultur für alle
Von Peter SteinigerHeute beginnt die 18. Internationale Buchmesse von Havanna. Diesjähriges Schwerpunktland ist Chile
Mit einem festlichen Akt in der Fortaleza de San Carlos de La Cabaña fällt am heutigen Donnerstag der Startschuß für Kubas große Literaturmesse. Für zwei Wochen verwandelt sich die historische Festungsanlage, welche Havannas Hafeneinfahrt überragt, in einen Ausstellungs- und Festplatz. Unter ihrem traditionellen Motto »Leer es crecer« (Lesen heißt wachsen) wird die »Feria del libro« zum Anziehungspunkt für Zehntausende Besucherinnen und Besucher, bietet sie Bildung und Kultur für alle. Erneut werden Hunderte Verlage und Kulturinstitutionen aus Lateinamerika und aller Welt mit ihren Angeboten vertreten sein. Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler stellen sich auf Lesungen, Workshops oder in Seminaren dem Publikum. Außer dem geschriebenen Wort kommen Buchgrafik und Comics sowie Film und Fotografie zur Geltung. Neben inländischen Größen verleihen namhafte Intellektuelle wie der auch in Kuba populäre mexikanische Romancier Paco Ignacio Taibo II diesem Event seine besondere Ausstrahlung.An der Eröffnung der bereits 18.»Feria del libro« wird neben Kubas Präsident Raúl Castro die Staatschefin Chiles, Michelle Bachelet, teilnehmen. Bachelet hält sich zu einer offiziellen Visite auf der Karibikinsel auf. Die Republik Chile ist in diesem Jahr als »Ehrenland« der Veranstaltung geladen, was sich auch im Messeprogramm deutlich widerspiegelt. Neben der Vorstellung von aktueller Literatur des Andenstaates und Veranstaltungen zu den bereits in Kuba verlegten Werken chilenischer Autoren steht dabei der 1973 von General Pinochet niedergeputschte demokratisch-sozialistische Aufbruch unter Präsident Salvador Allende im Mittelpunkt. Die zentrale Exposition steht unter dem Titel »Eine Hommage an das Volk Chiles«, weitere Ausstellungen sind dem Dichter Pablo Neruda und politischen Wandmalereien aus Chile gewidmet. Lesungen und Konzerte ehren und erinnern an die Sängerin Violeta Parra und den Liedermacher der Unidad Popular, Victor Jara.
Neben dem Gastland Chile wird in diesem Jahr der Casa de las Américas besondere Ehrung zuteil. Unmittelbar nach der Revolution 1959 ins Leben gerufen, hat dieses literaturwissenschaftliche Forschungszentrum die lateinamerikanische Literatur und Philosophie insgesamt entscheidend mitgeprägt und gefördert. Es trug kräftig dazu bei, die von den USA betriebene Isolierung der »roten Insel« auf kulturpolitischem Gebiet ins Leere laufen zu lassen. Als Ehrenautoren werden die Poetin und Essayistin Fina Garcia Marruz und Jorge Ibarra als einer der bedeutendsten Zeitgeschichtler Kubas für ihr Lebenswerk gewürdigt.
Mit seiner Buchmesse weist sich Kuba zum einen selbstbewußt als kulturell fortgeschritten und als echtes Leseland aus. Literatur und Film bieten, oft mit den Mitteln eines kritisch-ironischen Realismus, wichtige Anregungen für unverbrauchte gesellschaftliche Diskurse. In einer weltoffenen und lebensfrohen Atmosphäre bietet die »Feria« zudem ein Forum für öffentliche kulturpolitische Debatten über das Kuba im 51. Jahr nach der Revolution. Über ihren Zweck als Messeplatz hinaus erfüllt sie die Funktion eines multidisziplinären Kongresses. In Symposien werden etwa die neuere kubanische Geschichtsschreibung betrachtet oder die Entwicklung der Sozialwissenschaften bilanziert. Ein internationales Seminar widmet sich der globalen Finanzkrise und ihren Folgen für die Reform der Vereinten Nationen und den Auswirkungen auf die Entwicklungszusammenarbeit.
Nach Havanna (bis zum 22. Februar) macht das Bücherfest noch bis zum 8. März in den anderen Provinzen Kubas Station. Aufgrund der durch die verheerenden Hurrikans im vorigen Sommer verursachten Schäden mußte die Anzahl der beteiligten Städte allerdings von 42 auf 16 deutlich reduziert werden.
Die Tageszeitung junge Welt ist in Havanna im Rahmen einer Delegation des Berliner Büros Buchmesse Havanna vertreten. Thematischer Schwerpunkt dieser alternativen deutschen Präsenz ist eine Gegenüberstellung von Integrationsprozessen in Europa und Lateinamerika. Neben der Präsentation von Büchern linker Verlage und Informationen über die internationalistische Arbeit in Deutschland wird eine Extraausgabe der jungen Welt in spanischer Sprache an die Messebesucher verteilt. In einem speziellen Internettagebuch wird über die Höhepunkte und Erlebnisse während der »Feria« und Eindrücke aus dem kubanischen Alltag berichtet.
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