Der IM, der aus der Kälte kam
Von Peter SteinigerAm Sonntag abend wird in Havanna Westfernsehen geguckt. Wir präsentieren auf der Buchmesse die ZDF-Produktion »Die Nachrichten«. Ein (brillanter) Mainstreamfilm, der einen etwas anderen Blick auf den innerdeutschen Crash der Kulturen und die Stasihysterie in den neunziger Jahren wirft. Für seine Premiere in Kuba haben wir den Streifen aus dem Jahr 2006 mit spanischen Untertiteln versehen lassen.
Die Klimaanlage in Saal »Carlos J. Finlay« fährt Vollast. Während draußen die Sonne ihre warmen Strahlen zur Erde hernieder sendet, bilden sich hier drinnen Eisblumen an der Projektorlampe. Wir schlagen die Kragen an unseren kurzärmligen Hemdchen hoch, die Zähne klappern, im Hals macht sich ein Kratzen bemerkbar. Wer jetzt einschläft, wird sterben. Gut, daß wir nicht den »Schwarzen Kanal« mitgebracht haben. Denkbar wär´s ja.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Alexander Osang, welches wir hier auf der Messe ebenfalls präsentieren. Im Mittelpunkt der Handlung steht der aus dem Osten stammende (ARD-)Nachrichtensprecher Jan Landers (Jan-Josef Liefers).
Bei Premieren geht bekanntlich immer etwas schief. Ein Absturz des Laptops, in dem sich die Scheibe dreht, reißt uns aus der Starre. Windows Vista - danke, Bill. Während wir das Publikum trösten und die Recheneinheit neu starten, regelt der Raumtechniker den Windmacher auf gemäßigte Breiten herunter. Jetzt kann´s weitergehen mit großem Kino.
Landers gerät in den Verdacht, Stasi-IM gewesen zu sein und verschwindet vom Bildschirm. Dabei hatte er sich doch so schön an die Hamburger Medienschickeria angepaßt ... Eine SPIEGEL-Tante und ein Neubrandenburger Lokalreporter jagen der vermeintlichen Story nach. Diesen Raschke, einen »ewigen Verlierer«, der gegen den provinzellen Mief antrinkt und seine Chance, ihm zu entkommen, zuverlässig verpasst, stellt Uwe Kockisch dar.
Im wirklichen Leben hat der Schauspieler Kockisch auch etwas verpasst, darunter diesen Abend. Denn seine geplante Reise nach Kuba und zur Buchmesse mußte er kurzfristig absagen. Der Produktionsstart für einen neuen Film, für den er derzeit in Köln vor den Kameras steht, kam ihm in die Quere. Von dort sandte er einen Brief, in dem er sagt, warum für ihn die »Die Nachrichten« so gut sind: »Dieser Film versucht, die Gebundenheit von Menschen an Milieus und Zeitumstände, differenziert und ironisch, aber ohne Lächerlichkeit, sichtbar zu machen. Dialektik statt Klischees. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Doch die Nachfrage danach wird wieder wachsen, da bin ich mir sicher. Nach Film, der Kunst statt ausschließlich Kommerz ist.«
Kockisch verspricht, seinen ersten Besuch in Kuba sobald wie möglich nachzuholen, um sich eine eigene Anschauung von den »guten und den schweren Seiten des Lebens« in diesem »außergewöhnlichen Land« zu machen, Kolleginnen und Kollegen vom Film zu treffen.
Sie müssen Uwe Kockisch dann nicht unbedingt hinterher reisen. Im Rahmen einer DEFA-Filmreihe in der jW-Ladengalerie wird er auch in Berlin zum Gespräch stehen. Voraussichtlicher Termin ist der 7. April.
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