»Die G8 haben versagt«
Von Interview: Ralf WurzbacherKlimaverhandlungen mit der Bush-Adminstration sind vergeudete Zeit. Ein Gespräch mit Tobias Münchmeyer
Tobias Münchmeyer ist Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkauft die am Donnerstag von den G-8-Staats- und Regierungschefs formulierte Willensbekundung zum Klimaschutz als großen »Durchbruch«. Wie sehen Sie das?
Die G8 haben versagt und die Chance zu einem echten Fortschritt vertan. Man hat sich nicht auf klare Klimaschutzziele verständigt, insbesondere nicht auf die Vorgabe, die weitere Erderwärmung bis 2050 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Zur Erinnerung: Frau Merkel hat diesen Punkt im Vorfeld ausdrücklich als »unverhandelbar« bezeichnet. Dazu fehlt es an einer Festlegung, in welchem Umfang die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen reduzieren wollen. Von einem Durchbruch kann also keine Rede sein.
Also nichts als heiße Luft?
Als positiv ist lediglich der Beschluß im Abschlußdokument zu verzeichnen, daß Verhandlungen für eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls unter dem Dach der UNO bis 2009 abgeschlossen sein sollen. Außerdem ist sehr deutlich geworden, wie gespalten die G8 in Fragen des Klimaschutzes sind. In der Deklaration heißt es zu der Absicht, die Emissionen bis 2050 zu halbieren, daß die europäischen Staaten sowie Kanada und Japan dies als echtes Ziel erachten. Übersetzt heißt das: Die USA und Rußland sehen das nicht so.
Öffentlich wird der Eindruck erweckt, Klimaschutz wäre nur erfolgversprechend, wenn man die USA mit im Boot hat. Ist das Augenwischerei?
Auf die USA unter der Bush-Administration zu setzen, ist illusorisch. Würde sich Bush sonst weiterhin beharrlich weigern, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren? So gesehen hat der US-Präsident am Donnerstag nur einen weiteren Beweis seiner klimaschutzpolitischen Ignoranz geliefert. Es ist naiv und zudem gefährlich, etwas anderes zu glauben. Mit jedem neuen Verhandlungsversuch wird nur unnötig Zeit vergeudet – Zeit, die die Menschheit nicht hat.
Wenn jedes Land – oder ein Staatenverbund wie die EU – sein eigenes Ding macht, wäre demnach mehr gewonnen, als noch länger auf die Amerikaner zu hoffen?
Ganz genau. Wir haben Frau Merkel gegenüber immer wieder die Notwendigkeit betont, daß die klimaschutzwilligen Staaten mit ambitionierten Zielen voranschreiten müssen. Ein Beispiel: Im Abschlußdokument des G-8-Gipfels von St. Petersburg 2006 sind an zwei Stellen Aussagen zum Klimaschutz ausdrücklich im Namen der Staaten formuliert, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben. Ein klar formulierter Text mit ehrgeizigen Zielen, orientiert an konkreten Zahlen, aber im Dissens verabschiedet, bringt allemal mehr als ein Konsens mit Verfallsgarantie.
Wie bewerten Sie Ihre spektakuläre Schlauchbootaktion am Donnerstag vor der Küste Heiligendamms angesichts der mageren Gipfelergebnisse?
Auch wenn es nicht gelungen ist, unsere Petition Frau Merkel persönlich auszuhändigen, ist unsere Botschaft über die Medien sehr wohl angekommen. Überhaupt: Ohne den inzwischen gewaltigen öffentlichen Druck wäre das Thema Klimaschutz den G-8-Staaten wahrscheinlich nicht halb so wichtig gewesen.
Greenpeace hatte dabei Verletzte zu beklagen. Wie geht es denen?
Die fünf Betroffenen haben Rippen- und Rückenprellungen, aber keine schweren Verletzungen davongetragen. Es hätte allerdings wesentlich Schlimmeres passieren können. Wir halten die Härte des Polizeieinsatzes für unverantwortlich, insbesondere weil wir die Polizei kurze Zeit vorher über unser Vorhaben informiert hatten.
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