Mit oder ohne Blockade
Von André ScheerSanierung des historischen Zentrums der kubanischen Hauptstadt wird durch den Boykott der USA und Deutschlands erschwert
Das »Haus der Sklaven« im Zentrum von Habana Vieja, der Altstadt von Havanna, wurde 1629 von einem spanischen Adligen errichtet. Später nisteten sich in dem großen Palast Sklavenhändler ein, die durch den Verkauf von aus Afrika verschleppten Menschen ein Vermögen anhäuften. Der Volksmund taufte das Haus deshalb entsprechend, und bis heute ist es unter diesem Namen bekannt. Das berichtete Havannas Stadthistoriker Eusebio Leal, der in dem aufwendig restaurierten Gebäude derzeit seine Büros hat. Doch nicht mehr lange, wie er hinzufügte, denn in Kürze soll im Erdgeschoß ein Marionettentheater für Kinder einziehen, während die großartige Akustik im Obergeschoß für Konzertaufführungen genutzt werden soll. Eigentlich sollte das Haus jedoch einen ganz anderen Nutzer haben, das deutsche Goethe-Institut. Die Verträge über die Einrichtung einer Niederlassung dieses Vereins zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland lagen bereits unterschriftsreif vor, als die Bundesregierung ihre Bereitschaft zur Eröffnung zurückzog und sich dem von der EU im Juni 2003 beschlossenen Kulturboykott gegen Kuba anschloß. Bislang zeigt sich Berlin nur zögerlich bereit, zu einer Kooperation auf Augenhöhe mit der Insel zurückzukehren.Eusebio Leal, dessen Vorfahren mütterlicherseits als Calvinisten aus Süddeutschland 1808 nach Kuba ausgewandert waren, bedauert das sehr. Der Beauftragte für die Sanierung der historischen Gebäude in der Altstadt sieht in der Rekonstruktion historischer Bauten in Dresden beispielsweise ein wichtiges Vorbild für seine Arbeit und würde gern die Zusammenarbeit mit seinen deutschen Kollegen intensivieren. So aber trägt Deutschland einen Teil zur Blockade Kubas durch die USA bei.
Für den gläubigen Katholiken und überzeugten Kommunisten Eusebio Leal bedeutet die Blockade zusätzliche Schwierigkeiten bei der ungeheuren Aufgabe, die verfallenen Gebäude der Altstadt zu retten und zu sanieren. »Um eine Zimmerdecke in historischen Gebäuden zu reparieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Beton oder Holz. Wenn wir aber den historischen Reiz des Hauses bewahren wollen, führt kein Weg an Holz vorbei.« Holz aber ist in dem waldarmen Kuba rar und muß importiert werden.
Bereits ab
Mitte des 20. Jahrhunderts verlor die Altstadt von Havanna ihre
Funktion als kubanisches Verwaltungszentrum, als immer mehr
Institutionen und Ministerien sich in anderen Teilen der Stadt
ansiedelten. Was blieb, waren die Hafenbehörden und die großen Banken,
so daß Habana Vieja zum Finanzzentrum Kubas wurde. Nach der Revolution
und der Verstaatlichung der Finanzinstitute endete jedoch das Protzen
und Spekulieren, zugleich siedelten sich Menschen aus den ärmsten
Schichten der Bevölkerung in der Altstadt an, die vom Land nach Havanna
strömten, um Arbeit zu finden. »Habana Vieja ist ausgelegt für etwa
45000 bis 48000 Menschen, derzeit leben hier aber mehr als 75000
Menschen«, berichtete Leal. So hätten allein in einem einzigen Haus an
der Plaza Vieja 63 Familien gewohnt. »Es ist also ganz klar, daß diese
Bevölkerungsdichte aufgelöst werden muß«, erläuterte der
Stadtschreiber. »Aber das kann nicht administrativ gehandhabt werden.«
Man wolle niemanden zwingen, das Haus zu verlassen, zugleich sei aber
klar, daß nicht alle bleiben können. »Wir bauen gegenüber der Bucht,
auf der anderen Seite des Hafens, einen kompletten neuen Stadtteil, wo
die Menschen, die umziehen müssen, ein eigenes, neues Dach über dem
Kopf haben. Das hätten sie sich früher nie träumen lassen«, so Leal.
Wer in Habana Vieja geboren worden sei, könne vorrangig in der Altstadt
wohnen bleiben, ebenso die alten Menschen, denen man einen Umzug nicht
mehr zumuten wolle. Mehr als 200 Architekten und 3000 Arbeiter sind
derzeit allein in Habana Vieja mit 104 Rekonstruktionsprojekten
beschäftigt. Dabei achte man darauf, daß die renovierten Häuser weiter
als Wohnungen genutzt werden können, unterstrich Leal und verwies auf
die renovierte Plaza Vieja, wo die Erdgeschosse nun von Geschäften
genutzt werden, während oben weiterhin Familien wohnen. »Ich werde
meine Aufgabe erfüllen, ob mit oder ohne Blockade«, unterstrich er zum
Abschied.
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