In wessen Interesse?
Von Katja KlüßendorfIm August 2010 stellte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle das neue Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung vor. Er nannte den Subkontinent eine Weltregion, die in Europa unterschätzt werde. Sie sei einer der dynamischsten Wachstumsmärkte.
Was er damit meint, hat er bereits kurz nach Amtsantritt bei einem Besuch in Südamerika gezeigt. Es geht um große Rohstoffvorkommen und Absatzmärkte für deutsche Exportprodukte, und darum, sich auf diesen Märkten gegen Konkurrenz aus anderen großen Industrienationen besser aufzustellen.
Hintergrund ist die Sorge der deutschen und europäischen Wirtschaft um ausreichenden Nachschub an zentralen Rohstoffen. Deutsche Außenpolitik vertritt deshalb auch in Lateinamerika und der Karibik vor allem die Interessen der exportorientierten Industrie.
Deren Staaten und Völker lernen aber immer mehr, ihre eigenen Interessen wirksam zu vertreten, indem sie sich zu Handelsbündnissen zusammenfinden. Dazu gehört auch AL BA, die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas. Das meint Westerwelle natürlich nicht, wenn er von »unserem beiderseitigen Interesse« spricht. Im Gegenteil: Die Westerwelles Partei FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung schreibt auf ihrer Website, daß sie »mit Sorge einen fundamentalen Wandel auf dem Kontinent beobachtet, nachdem sich zwei Jahrzehnte lang Land um Land der Demokratie und der Marktwirtschaft zuzuwenden schienen. Nun werden diese Errungenschaften herausgefordert, sehen sich die Verfechter liberaler Demokratie radikalen autoritären Populisten gegenüber.« Keine andere Institution in Deutschland hat sich 2009 so offen auf die Seite der Putschisten gegen den rechtmäßigen honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya gestellt.
Um Freiheit und Menschenrechte ging es angeblich auch, als das deutsche Auswärtige Amt die Teilnahme an der Buchmesse in Havanna 2004 absagte, obwohl man zuvor eine Einladung als Ehrengastland angenommen hatte. Gegen eine solche Politik positionieren wir uns als Teil der Solidaritätsbewegung mit Kuba und anderen linken Regierungen in Lateinamerika. Bereits zum achten Mal in Folge beteiligen sich im Februar 2011 Verlage, Organisationen und Gewerkschaften aus dem deutschsprachigen Raum an der internationalen Buchmesse über das »Berliner Büro Buchmesse Havanna«.
Die 20. Messe, die die kubanische Buchkammer den Kulturen der ALBA-Staaten als Ehrengäste widmet, hat für uns besondere Bedeutung, weil wir uns gemeinsam mit den AL BA-Ländern für jene Konzepte einsetzen, die den Neoliberalismus überwinden wollen und die es den wirtschaftlich schwächeren lateinamerikanischen Ländern ermöglichen, einen eigenständigen Weg zu gehen. So eine Entwicklung mag nicht im Interesse Westerwelles und der von ihm bedienten Klientel sein. Aber sie ist das, was wir unter unserem gemeinsamen Interesse verstehen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!