Unter dem Banner der Liebe
Von Héctor Corcho MoralesJosé Martí ist der Nationaldichter Kubas. Vor 120 Jahren erschien sein wichtigstes Werk »Unser Amerika«
José Martí wurde am 28. Januar 1853 als Sohn des spanischen Ehepaars Mariano Martí und Leonor Pérez in Havanna geboren. Schon in jungen Jahren beteiligte er sich am Kampf für die Unabhängigkeit Kubas, was ihn 1869 erstmals ins Gefängnis brachte.
1871 wurde er nach Spanien ausgewiesen. Nach einer kurzen Rückkehr in sein Heimatland ging Martí 1880 als Journalist nach New York. Hier bekam er Kontakt mit kubanischen Offizieren, wie dem General Calixto García, und übernahm schließlich den Vorsitz des Kubanischen Revolutionären Komitees. Er sammelte Geld, Waffen, Schiffe und kümmerte sich um das Training der um ihn gescharten Revolutionäre.
Insgesamt veröffentlichte Martí zwischen 1880 und 1892 mehr als 400 journalistische Artikel über Lateinamerika, die USA und Europa, die in solchen Blättern wie La Nación in Buenos Aires, La Opinión Nacional in Caracas, oder Las Américas in New York erschienen. Martís journalistisches Schaffen nimmt fast die Hälfte seines Gesamtwerks ein, doch auch die meisten seiner übrigen Schriften erblickten erstmals in Zeitungen und Zeitschriften das Licht der Öffentlichkeit.
Martí hat jedoch vor allem als Schriftsteller Weltgeltung erlangt. Insbesondere seine Märchen überraschen, die in der von ihm selbst zwischen Juli und Oktober 1889 herausgegebenen Kinderzeitschrift La Edad de Oro erschienen. Einen kindgerechten Tonfall finden wir auch in »Ismaelillo«, seinem ersten in Versen verfaßten Buch. Die 15 Gedichte für seinen weit entfernt lebenden Sohn eröffneten den Weg zur neuen Ästhetik des Modernismus. Der höchste Gipfel von Martís poetischem Schaffen sind jedoch die »Versos sencillos«, die »einfachen Verse«, eine fragmentarische Chronik seines Lebens.
Als 1895 alles vorbereitet war, um den Kampf für die Befreiung Kubas zu beginnen, beschlagnahmte die US-Administration die Ausrüstung der Revolutionäre. Trotzdem gelang es Martí gemeinsam mit Máximo Gómez und anderen Freiheitskämpfern im Mai 1895, in Playitas an Land zu gehen und landeinwärts zu marschieren, um sich dort mit anderen Revolutionären zu vereinigen. Doch schon am 19. Mai starb der »Apostel«, wie Martí von seinen Genossen später genannt wurde, bei einem Gefecht mit den Truppen der spanischen Kolonialmacht. Seine Gefährten konnten nicht einmal seinen Leichnam bergen.
Bereits am 10. Januar 1891 war in der La Revista Ilustrada de Nueva York sein Essay »Unser Amerika« erschienen, das heute als das wichtigste politische Vermächtnis Martís gilt. Es ist ein politisch-kulturelles Programm, das den dringendsten Bedürfnissen des Kontinents entspricht. Mit der Kolonialisierung hatten die neuen Herren dem amerikanischen Kontinent eine Reihe von Sitten und Traditionen übergestülpt, die eine Weiterentwicklung der einheimischen Kultur verhinderten. Deren Werte wurden durch die Vorstellungen der Eroberer ersetzt – ein Vorgehen, das für jedes Imperium in der Geschichte typisch ist. Dieses tragische Bild beschreibt Martí in seinem Aufsatz und ruft alle Kubaner auf, sich unter dem »Banner der Liebe und des Respekts für den Menschen« zu sammeln. Diese sollten seiner Ansicht nach die obersten Normen der künftigen Republik sein: »Ich möchte, daß das erste Gesetz unserer Republik der Respekt der Kubaner für die volle Würde des Menschen ist. Jeder wirkliche Mensch sollte am eigenen Körper jeden Schlag spüren, den ein anderer Mensch erleidet.«
Der tiefe Humanismus, der sich in diesen Zeilen widerspiegelt, ist die wichtigste Konstante im politischen Wirken Martís. Gerade heute, 120 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen von »Unser Amerika«, sind die von Martí hier vorgestellten Ideen lebendiger denn je und bilden ein Kampfprogramm zur Verteidigung und Bereicherung der nationalen Identität der Völker Lateinamerikas. In Martí vereinen sich Lateinamerikanismus, Antirassismus und Antiimperialismus und bilden so ein Instrument im Kampf der Ideen.
Unser Autor ist Kulturattaché der kubanischen Botschaft in Berlin
Übersetzung: André Scheer
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