Ein Buch für vier Tage
Von Johannes Schulten, HavannaEin Trotzki-Roman für Papierschnipsel: Auf der Buchmesse in Havanna stellte Leonardo Padura sein neues Werk vor. Leonardo Padura ist kubanischer Krimigott und der erfolgreichste Literaturexport des Landes. Auf der Insel sind seine Bücher rar, öffentliche Lesungen selten.
Schon zur Eröffnung der Buchmesse wurde getuschelt. Wird Padura persönlich kommen? Wie viele seiner Bücher kann man kaufen? Gemessen am Bekanntheitsgrad des Autors war die Veranstaltung, auf der er seinen jüngsten Roman »Der Mann, der Hunde liebte«, vorstellen sollte, relativ klein im Programm angekündigt.
In Kuba, so scheint es, haben ihn fast alle gelesen. Doch nur die wenigsten haben einen seiner Titel im Wohnzimmerregal stehen. Die Bücher werden nur in kleinen Auflagen gedruckt und sind entsprechend schwer zu finden, zumindest wenn sie in Moneda Nacional bezahlt werden können. Eine Freundin sagt, ein Buch von Padura habe man vier Tage: An dreien werde es gelesen, am vierten müsse es an den Besitzer zurückgegeben werden.
In seiner auch in Deutschland sehr beliebten Krimitetralogie »Das Havanna-Quartett« setzt sich Padura ziemlich schonungslos mit den sozialen Problemen in Kuba auseinander und bilanziert die Schwierigkeiten und Enttäuschungen der »Spezialperiode« der 90er Jahre, das Land nach dem Wegfall der Unterstützung durch die sozialistischen Staaten auf sich allein gestellt war und äußerst knapp am ökonomischen Kollaps vorbeischlidderte.
Am Dienstag quetschten sich dann gefühlte 1000 Menschen schon Stunden vor Beginn von Paduras Lesung auf die enge Terrasse vor dem ansonsten eher mau frequentierten Hauptsaal Nicolás Guillén, um an eines der 600 Exemplare zu kommen, die dort verkauft wurden. Vorher war Anstehen angesagt. Zunächst für einen handschriftlich nummerierten Papierschnippsel, der zum Kauf berechtigte; und dann für das Buch: Es kostet 25 Peso, etwas weniger als ein Euro. Der Preis der spanischen Ausgabe, die in den Buchhandlungen der Altstadt erstanden werden kann, beträgt dagegen 22 Euro, das ist fast ein Monatslohn.
Gefragt, ob er Gefahr läuft, daß seine Bücher zensiert werden, betonte ein sichtlich gut gelaunter Padura, das sei ein Mythos. Im Gegenteil: Alle seine Bücher seien bisher in Kuba erschienen. Und auch die zwei Jahre, die zwischen der Veröffentlichung in Spanien und Kuba lagen, seien nicht politisch-bürokratischen Vorbehalten geschuldet, sondern einer Auflage seines spanischen Hausverlages Busquets. Dieser habe eine Frist von einem Jahr verlangt. Und just als diese verstrichen war, sei in Kuba das Papier ausgegangen. Doch in den nächsten Monaten sollen 4000 Exemplare unters Volk gebracht werden.
Im Zentrum des politischen Romans »Der Mann, der Hunde liebte« steht der Mord an Leo Trotzki 1940 im mexikanischen Exil. Erzählt wird die Geschichte von Trotzki und die seines Mörders Ramón Mercader und zwar von einem kubanischen Schriftsteller Iván. Obgleich das Buch an verschiedenen Orten der Weltgeschichte spielt, sei es durch und durch kubanisch, so Padura. Lange Zeit pflegte das offizielle Kuba einen eher monotonen Umgang mit dem Thema Trotzki. »Im Fahrwasser der sowjetischen Geschichtsschreibung« sei er nicht als der Gründer der Roten Armee bekannt gewesen, sondern als »Agent Frankreichs, der USA und Deutschlands zusammen«, wie sich Paduras Schriftstellerkollege Rainaldo González, der mit ihm auf dem Podium saß, nicht ohne Selbstironie erinnerte. Doch dieses Kapitel habe man abgeschlossen. Kürzlich erschien die erste Ausgabe von Trotzkis Autobiographie »Mein Leben«.
Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte. Unionsverlag, Zürich 2011, 737 Seiten, 28,90 Euro * Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein
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