Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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21.09.2021, 14:10:55 / Rosa-Luxemburg-Konferenz 2018

Wettlauf um Afrika

Bis auf wenige Ausnahmen ist die deutsche Wirtschaft auf dem Kontinent kaum präsent. Die Investitionen sind gering – das könnte sich zukünftig ändern
Von Jörg Kronauer
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Ein »Migrationszentrum« ist schon da und für die Investitionen deutscher Firmen in Ghana soll es bald vorwärts gehen – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 12.12.2017 in der Hauptstadt Accra

»Bleibt zu Hause!« So fasste die Deutsche Welle durchaus zutreffend den Tenor der öffentlichen Stellungnahmen zusammen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am ersten Tag seines Besuchs vor zwei Wochen in Ghana abgab. Zunächst hatte er in einem Interview mit der ghanaischen Tageszeitung Daily Graphic mit Blick auf die zahlreichen in die EU strebenden Menschen aus Westafrika erklärt, die Reise durch die Wüste und über das Mittelmeer sei viel zu gefährlich: »Sie kann mit Gefangenschaft, Misshandlung oder sogar Tod enden.« Das wolle er eindrücklich »den Leuten bewusst machen und sie warnen«. Anschließend eröffnete der Bundespräsident in Accra ein »Migrationszentrum«. Dessen Zweck: Es soll Menschen, die auf dem Weg nach Europa aufgegriffen werden, mit der Aussicht auf Hilfe bei der Jobsuche zur Rückkehr bewegen – und ausreisewillige Ghanaer über Möglichkeiten zur Auswanderung nach Deutschland informieren, die freilich fast nicht existieren. Bei so viel Migrationsabwehr wäre der Hauptanlass für Steinmeiers Westafrikareise fast untergegangen: die Unterzeichnung einer Vereinbarung für die »Reformpartnerschaft«, die es deutschen Unternehmen künftig erleichtern soll, in Ghana zu investieren und damit ihre Stellung in Afrika punktuell wieder zu stärken.

Sinkende Absatzzahlen

Ein Blick auf die wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Firmen auf dem afrikanischen Kontinent zeigt rasch: An dem alten kolonialen Verhältnis – die Bundesrepublik bezieht Bodenschätze und setzt dort weiterverarbeitete Waren ab – hat sich im Kern nichts geändert. »Industrieprodukte für Rohstoffe«: So überschrieb das Statistische Bundesamt im Jahr 2015 eine trockene Analyse dieser Handelsströme. In der Tat bestanden die deutschen Afrika-Exporte damals zu mehr als 90 Prozent aus Industrieprodukten, während gut die Hälfte der Importe auf Erdgas und vor allem Erdöl entfiel, weitere fünf Prozent auf Bergbauprodukte. Elf Prozent setzten sich aus unterschiedlichen Agrargütern zusammen, ein Drittel davon Kakao, ein Sechstel Tee und Kaffee. Dabei ist es bis heute – abgesehen von geringeren Verschiebungen, die sich aus Schwankungen der Rohstoffpreise und gelegentlichen Wechseln bei den Erdöllieferanten ergeben – geblieben. Im Süden nichts Neues, könnte man meinen.

Allerdings muss man, um die Bedeutung etwas genauer einzuschätzen, die Afrika heute für die deutsche Industrie besitzt – als Rohstofflieferant und als Absatzmarkt –, ein paar weitere Aspekte hinzufügen. Nummer eins: Der Kontinent hat für hiesige Firmen relativ an Gewicht verloren. Es gab eine Zeit – das war 1954 –, als Afrika sechs Prozent der BRD-Exporte kaufte. 1970 waren es immerhin noch 4,3 Prozent; 1990 war der Anteil auf 2,4 Prozent gesunken, um bis 2000 weiter auf 1,8 Prozent zu schrumpfen. Seitdem hat er sich bei zwei Prozent konsolidiert. Damit habe der Kontinent »für die deutsche Exportwirtschaft nur eine marginale (…) Bedeutung«, konstatierte das Münchener Ifo-Institut im Dezember 2015 kühl in einer Studie, die es im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) angefertigt hat. Gegenüber der internationalen Konkurrenz hat die deutsche Wirtschaft in Afrika dabei nicht nur stagniert, sie ist sogar zurückgefallen: Hielt sie mit ihren Ausfuhren 1992 noch einen Anteil von 14 Prozent am dortigen Absatzmarkt, so kam sie 2013 nur mehr auf fünf Prozent.

Aspekt Nummer zwei: Die Bedeutung afrikanischer Bodenschätze für die Rohstoffversorgung der Bundesrepublik darf man im großen und ganzen nicht überbewerten. Die Öl- und Gaslieferungen, die vor allem aus Nigeria, Algerien und Ägypten kommen, inzwischen auch aus Angola und, sofern die Milizen vor Ort es zulassen, noch aus Libyen – machen nur ein Zehntel der entsprechenden deutschen Einfuhren aus. Der größte Teil kommt aus Russland (40 Prozent des Öls, 31 Prozent des Gases), aus Europa (Norwegen, Niederlande, Großbritannien), aus Kasachstan und aus Aserbaidschan. Nicht viel anders sieht es etwa bei den Metallerzen aus. Von den deutschen Einfuhren des Jahres 2014, die sich auf 7,3 Milliarden Euro beliefen, stammten nur 14,7 Prozent (1,1 Milliarden Euro) aus Afrika. Die größten Mengen kommen aus anderen Weltregionen, weshalb die Bundesregierung beispielsweise sogenannte Rohstoffpartnerschaften mit der Mongolei, mit Kasachstan und mit Peru abgeschlossen hat, aber mit keinem afrikanischen Land. Und als der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kürzlich Alarm schlug, die Ressourcen, die man für Zukunftstechnologien benötige, würden knapp, da ging es zum großen Teil um Bodenschätze, die vor allem außerhalb Afrikas zu holen sind: Um Lithium für Elektroautobatterien, das zu rund 75 Prozent in Australien und Chile gefördert wird und in großen Mengen in Bolivien zu finden ist; daneben um Graphit, bei dem ein einziges Land 70 Prozent des Weltmarkts beherrscht – China.

Freilich sind die Bodenschätze einiger afrikanischer Länder aus unterschiedlichen Gründen immer noch extrem begehrt. Südafrika beispielsweise spielt eine Sonderrolle. Von dort stammten im Jahr 2014 fast 70 Prozent der gesamten deutschen Erzeinfuhren von dem Kontinent; sie hatten einen Wert von 740 Millionen Euro. Hinzu kamen Metallimporte im Wert von einer weiteren dreiviertel Milliarde Euro. Südafrika besitzt unter anderem 42 Prozent der globalen Chrom- und mehr als 90 Prozent der weltweiten Platinreserven; entsprechend bezieht die Bundesrepublik gut zwei Fünftel ihres Platins und zwei Drittel ihres Chroms von dort. Zu den Platinkäufern gehört unter anderem der BASF-Konzern, der einen Teil des erworbenen Rohstoffs direkt in Südafrika weiterverarbeitet. BASF ist Hauptkunde von Lonmin, einem Platinminenbetreiber, dessen Arbeiter vor fünf Jahren in Marikana gegen miserable Arbeits- und Lebensbedingungen protestierten – bis 34 von ihnen am 16. August 2012 erschossen wurden. Eine Untersuchungskommission gab Lonmin eine Mitschuld daran. Eine Entschädigung haben die Familien der Opfer bis heute nicht erhalten – auch nicht von BASF; das schmälerte schließlich den Profit.

Auch das Bauxit aus Guinea ist in Deutschland sehr begehrt. Das westafrikanische Land, das mit seinen mehr als zwölf Millionen Einwohnern auf Platz 183 von 188 des Human Development Index (eines »Wohlstandsindikators«) liegt, verfügt über die größten Reserven der Welt. Auch in Guineas Bergbauregionen herrschen miserable Verhältnisse: Bergarbeiter klagen über niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und dadurch verursachte Gesundheitsschäden; Anwohner leiden unter drastischer Verschmutzung von Luft und Wasser. Häufig kommt es zu Protesten, zuletzt im April und im September dieses Jahres; beide Male wurde mindestens ein Demonstrant erschossen. Deutsche Unternehmen beziehen mehr als 95 Prozent des Rohstoffs, den sie zur Herstellung von Aluminium benötigen, von dort. Kobalt wiederum, das zur Produktion von Handys oder Autobatterien benutzt wird, kommt zu einem erheblichen Teil aus der Demokratischen Republik Kongo, die über fast die Hälfte der weltweiten Reserven verfügt. Die Arbeitsbedingungen in den kongolesischen Abbaugebieten sind ebenfalls katastrophal. Laut Angaben von Amnesty International schufteten dort im vergangenen Jahr 40.000 Kinder unter miserabelsten Umständen. Laut Amnesty zählen Volkswagen und Daimler zu den Konzernen, die bislang nur völlig unzureichende Bemühungen unternommen haben, wenigstens Kinderarbeit aus ihren Lieferketten fernzuhalten.

Sonderrolle Südafrika

Zurück zu Südafrika. Das Land hat für die Bundesrepublik nicht nur mit seinen Rohstoffen eine Sonderrolle inne. Es ist ihr mit Abstand größter Handelspartner auf dem gesamten Kontinent und ihr wichtigster dortiger Investitionsstandort. Rund ein Drittel des deutschen Afrika-Handels wird mit dem Land abgewickelt, das zudem laut Angaben der Bundesbank zwei Drittel der unmittelbaren und mittelbaren deutschen Direktinvestitionen in Afrika absorbiert hat. Zu den Investoren zählen die großen Autokonzerne VW, Daimler und BMW, die alle schon zu Zeiten der Apartheid beste Geschäfte mit dem Land machten, Daimler übrigens auch mit der Lieferung von mindestens 2.500 Unimogs an die südafrikanische Armee – trotz des UN-Waffenembargos. Damals wurden in den deutschen Werken nicht nur die rassistischen Apartheidpraktiken penibel befolgt; schwarze Gewerkschafter mussten auch damit rechnen, bei Streiks festgenommen und auf den Polizeiwachen gefoltert zu werden. Rheinmetall lieferte neben Munition gleich auch noch eine ganze Munitionsabfüllanlage. Entschädigung für Apartheidopfer haben die deutschen Konzerne natürlich nie gezahlt. Dafür hat Rheinmetall im Jahr 2008 die Mehrheit an der südafrikanischen Rüstungsfirma Denel übernommen. Seitdem beliefert »Rheinmetall Denel Munition« (mit Sitz in Cape Town) Staaten, bei denen die deutschen Rüstungsexportvorschriften zu Komplikationen führen könnten. So hat der südafrikanische Rheinmetall-Ableger den Bau einer Munitionsfabrik im saudischen Al-Khardsch organisiert; er betreut das Werk weiterhin.

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Neben dem Export setzt die deutsche Wirtschaft in Afrika vor allem auf maximale Ausbeutung – Protestveranstaltung im südafrikanischen Marikana, wo 2012 während eines Streiks bei dem vor allem an BASF liefernden Platinminenbetreiber Lomnin 34 Arbeiter erschossen wurden (Aufnahme vom 16.4.2014)

Deutsche Unternehmen produzieren in Südafrika, dem am stärksten industrialisierten Land des Kontinents, das sich zudem im Rahmen des BRICS-Staatenbundes an einer eigenständigen Politik versucht, zum einen unmittelbar für den dortigen Markt, zum anderen für den Export in weitere afrikanische Länder. Das bringt viel Geld: Im Jahr 2012 konnten die über 350 deutschen Firmen in Südafrika einen Umsatz von knapp 18 Milliarden Euro erzielen. Ableger deutscher Firmen gibt es in nennenswerter Anzahl sonst nur in Nordafrika – in Ägypten sowie im Maghreb. Dort haben die Investitionen allerdings zumeist einen anderen Charakter: Es geht darum, die niedrigen Löhne zur Produktion für den europäischen Markt auszunutzen. Klassisches Beispiel dafür ist Tunesien. Dort beträgt der Mindestlohn aktuell mit 140 Euro im Monat weniger als die Hälfte desjenigen in Rumänien (320 Euro); zugleich ist der Warentransport per Schiff über das Mittelmeer genauso problemlos möglich wie der Landtransport aus Südosteuropa. In Tunesien gehören – so beschreibt es das Auswärtige Amt unverändert bereits seit vielen Jahren – »Textilien (Vorerzeugnisse)« zu den Hauptimporten aus Deutschland; »Textilien (Enderzeugnisse)« zählen zu den wichtigsten tunesischen Exporten in die Bundesrepublik. Der deutsche Kabelhersteller Leoni, der Kfz-Konzernen zuliefert, ist nach eigenen Angaben größter Arbeitgeber in Tunesien, produziert inzwischen aber auch in Marokko und Ägypten, ebenfalls zu niedrigsten Löhnen. Rund 250 deutsche Firmen lassen zur Zeit etwa 55.000 Menschen in Tunesien schuften. Die bekannteste von ihnen ist Steiff, die in Sidi Bouzid Kuscheltiere produziert. Nur einige hundert Meter vom Firmengelände entfernt steckte sich am 17. Dezember 2010 aus Protest gegen die unerträglichen Lebensbedingungen im Land der 26jährige Gemüsehändler Mohammed Bouazizi in Brand – und löste damit die Revolten zunächst in Tunesien, dann auch in weiteren Staaten aus, die als »Arabischer Frühling« bezeichnet werden.

Waren die Lebensverhältnisse in den Ländern Afrikas, die Rohstoffe liefern und billige Arbeitskraft stellen, ansonsten höchstens noch deutsche Autos und Maschinen kaufen sollen, dem deutschen Establishment eigentlich immer herzlich egal, so hat sich das in den letzten Jahren etwas verändert: Die Massenflucht nicht nur aus dem Maghreb, sondern vor allem auch aus den Staaten südlich der Sahara macht der Bundesregierung zunehmend Sorgen. Die Zeiten, in denen man Reichtum anhäufen konnte, ohne damit rechnen zu müssen, dass die Opfer der neokolonialen Verhältnisse nicht nur für den deutschen Wohlstand schuften, sondern sich auch über Grenzen hinwegsetzen, um in bescheidenstem Maß an ihm teilzuhaben, sind vorbei. Entsprechend hat die deutsche Migrationsabwehr Hochkonjunktur. Nicht nur das Mittelmeer wird abgeriegelt. Schon seit Jahren werden die Polizeien insbesondere der Sahelstaaten hochgerüstet und trainiert – unter anderem mit einem »Polizeiprogramm Afrika« der bundeseigenen Entwicklungsorganisation GIZ –, werden Länder wie Äthiopien, Eritrea und Sudan über die EU mit Grenztechnologie und mit Mitteln zum Bau von Lagern versorgt, um Flüchtlinge schon möglichst weit im Süden zu stoppen. Doch wird das ausreichen, um Europa abzuschotten? Laut aktuellen Schätzungen wird sich die Bevölkerung Afrikas von derzeit 1,2 Milliarden Einwohnern bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Milliarden mehr als verdoppelt haben. »Weit über eine Milliarde Menschen werden künftig einen rationalen Migrationsgrund haben«, erklärte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, am 13. November auf einer Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU): »Der Migrationsdruck auf Europa wird zunehmen.« Reicht nun aber bloße Repression auf Dauer wirklich zur gewünschten Abwehr aus?

Zukunftsstrategien

Hier kommen Überlegungen ins Spiel, die im Dezember 2015 das Münchener Ifo-Institut geäußert hat. Sie müssen vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums südlich der Sahara sowie der geringen Präsenz deutscher Unternehmen in den Ländern zwischen den nordafrikanischen Küstenstaaten und Südafrika verstanden werden. Der Anteil West- und Ostafrikas am deutschen Export ist seit 1990 recht deutlich geschrumpft, derjenige Zentralafrikas ist genauso vernachlässigbar geblieben, wie er es bereits damals war. Der Grund: Die Mittel- und Oberschichten in den dortigen Ländern, die das Geld haben, um teure deutsche Waren zu kaufen, sind zu schmal, als dass sich der Ausbau breiterer Handelsbeziehungen lohnen würde. Doch wenn die Gesamtbevölkerung sich vergrößert, dann wachsen voraussichtlich auch die Mittelschichten; um künftig von ihren Käufen zu profitieren, sollten die deutschen Exporte »von heute circa zwei Prozent des Gesamtvolumens auf drei Prozent im Jahr 2025 und auf fünf Prozent im Jahr 2050« erhöht werden, rät das ifo Institut. Hinzu komme noch ein weiterer Faktor: Mit dem Bevölkerungswachstum nehme auch die Zahl der Erwerbsfähigen zu; bis 2050 könne sie von heute mehr als 400 Millionen Menschen auf gut eine Milliarde steigen. Gleichzeitig sei damit zu rechnen, dass die Lohnkosten »in allen anderen Weltregionen« deutlich stärker stiegen als südlich der Sahara: »Daher ist mit einer deutlichen Zunahme der relativen preislichen Wettbewerbsfähigkeit Afrikas zu rechnen.« Soll heißen: Wer in den 2020er, vor allem aber in den 2030er und den 2040er Jahren weiterhin Niedriglohnproduktion betreiben will, muss sich rechtzeitig in den zuletzt von der deutschen Wirtschaft vernachlässigten Gebieten des Kontinents festsetzen.

Dazu sollte zuletzt die Reise von Bundespräsident Steinmeier nach Ghana beitragen. Die »Reformpartnerschaft«, die die Bundesrepublik – in Umsetzung der Beschlüsse des G-20-Afrika-Gipfels vom Juli 2017 in Berlin – mit dem Land eingegangen ist, soll vor allem Investitionen erleichtern und damit deutschen Unternehmen den Weg bahnen. Ghana ist keines der wirtschaftlichen Schwergewichte, von denen es südlich der Sahara nur zwei gibt – Südafrika und Nigeria. Es wird allerdings in Wirtschaftskreisen neben etwa der Côte d'Ivoire, Kenia, Äthiopien und Angola zur »zweiten Reihe« afrikanischer Staaten gezählt, in denen sich trotz begrenzter Märkte immer noch attraktive Geschäfte machen lassen. Aber auf der Rangliste der deutschen Handelspartner taucht es erst auf Platz 89 auf – nach Jordanien und knapp vor Honduras, mit Ein- und Ausfuhren in Höhe von jeweils dürftigen 300 Millionen Euro. Das zeigt, wie sehr hiesige Unternehmen afrikanische Staaten südlich der Sahara in ihren Planungen vernachlässigt haben. Dabei hat Ghana – abgesehen von einer kurzen, heftigen Finanzkrise in den Jahren 2014 und 2015 – seit 2006 ein erstaunliches Wachstum erzielt und wird zu den »African Lions« gezählt, einer Gruppe von Staaten wie Äthiopien und Ruanda, deren Wirtschaft rasch wächst. Ghana böte dem deutschen Kapital neben dem viel größeren, aber als eher schwierig geltenden Nigeria wohl gute Chancen.

Konkurrenten: Frankreich und China

Ghana ist nicht das einzige Land, in dem Berlin sich bemüht, die deutsche Wirtschaftspräsenz mit Blick auf den künftig wohl wachsenden Markt zu stärken. Einen Vertrag über eine »Reformpartnerschaft« hat die Bundesrepublik nicht nur mit ihm und mit ihrem traditionellen Niedriglohnstandort Tunesien, sondern auch mit der Côte d’Ivoire geschlossen. Das Land, im Westen an Ghana grenzend, gilt als Wirtschaftszentrum des frankophonen Westafrika. Deutschland bezieht zwar Produkte in einem Wert von fast einer Milliarde Euro aus dem Land – überwiegend Rohkakao –, kann aber nur wenig exportieren, so dass die Côte d’Ivoire in der deutschen Außenhandelsstatistik nicht über Platz 75 hinauskommt, ganz knapp vor Liechtenstein. Der Grund? Frankreich verfügt in der Françafrique, seinen ehemaligen Kolonien, trotz aller PR-Behauptungen von Präsident Emmanuel Macron noch immer über enormen Einfluss (siehe junge Welt vom 18.12.2017, S. 12 f.). Berlin kämpft dagegen an, hat den erhofften Durchbruch aber noch nicht erzielt. Das soll nun mit Hilfe der »Reformpartnerschaft« gelingen. Steht das anglophone Ghana im meist französischsprachigen Westafrika ein wenig isoliert für sich, ist – so formuliert es die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest – die ivorische Hauptstadt Abidjan mit ihrem wichtigen Hafen »gerade dabei, ihre alte Rolle als industrieller Hub für das frankophone Westafrika wiederzuerlangen«: »Von Abidjan aus lassen sich die Länder Burkina Faso, Mali, Niger, Togo und Benin versorgen«. Das passt – in Mali und Niger ist Berlin ja auch anderweitig präsent: mit der Bundeswehr.

Ob es der Bundesrepublik gelingt, in die Franç­afrique einzubrechen, wird man sehen. Viel Zeit lassen kann sie sich wohl nicht. Im vergangenen Jahrzehnt, in dem die deutsche Wirtschaft allen Appellen zum Trotz nicht so recht in die Gänge kam, ist China zur Nummer eins auf dem Kontinent aufgestiegen. Es ist heute der mit Abstand bedeutendste Handelspartner Afrikas und sein aktuell wichtigster Investor – und es intensiviert seinen Handel und seine Kapitalanlagen weiter. So liefert die Volksrepublik inzwischen etwa 17,3 Prozent der ghanaischen Importe; Deutschland liegt bei 3,9 Prozent. Chinas Investitionen in Ghana wurden zuletzt mit 1,3 Milliarden US-Dollar beziffert, während die deutschen laut Angaben der Bundesbank im mittleren zweistelligen Millionenbereich verharrten. Beijing will im nächsten Schritt den Bau einer 1.400 Kilometer langen Eisenbahnstrecke quer durch Ghana finanzieren, die erstens gewaltige Bauxitvorkommen infrastrukturell erschließen und zweitens das nördliche Nachbarland Burkina Faso anbinden soll. Geplant ist zudem die Errichtung von Wasser- und Solarkraftwerken. Tut China sich mit gewaltigen Infrastrukturprojekten hervor, so haben deutsche Unternehmen in Ghana zuletzt von sich reden gemacht, als sie – eine vom IWF erzwungene Schutzzollsenkung ausnutzend – in großem Stil Hühnerfleisch zu Dumpingpreisen nach Ghana verkauften. Viele einheimische Geflügelzüchter konnten mit den deutschen Fleischkonzernen nicht mithalten und mussten letztlich ihre Betriebe schließen. Dem deutschen Export hat’s genutzt.

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