Afrika in Russland
Von Roland Zschächner, SotschiDas Wetter will nicht so richtig mitspielen. Am Dienstag hängen die Wolken tief über Sotschi, wo im Olympiapark die 19. Weltfestspiele der Jugend und Studenten stattfinden. Eigentlich ist die Stadt am Schwarzen Meer eine sichere Bank für mildes Klima bis weit in den Herbst hinein. Doch auch gelegentlicher Nieselregen tut der Stimmung unter den mehr als 20.000 Teilnehmern keinen Abbruch. Sie spazieren auf dem weitläufigen Gelände zwischen den verschiedenen Veranstaltungsorten umher, an denen jede Menge geboten wird, treffen sich zum Plausch und zum Essen oder knüpfen neue Bekanntschaften. Ein Anlaufpunkt ist das Eishockeystadion. Für einige bietet es wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben die Möglichkeit, sich auf Kufen zu stellen und dem schwarzen Puck hinterherzujagen oder sich im Pirouettendrehen zu versuchen. Wer es weniger hektisch angehen möchte, kann aber auch einfach ein paar Runden auf dem gefrorenen Nass drehen. Was allein schon eine wackelige Angelegenheit sein kann.
Weniger unsicher sind die Teilnehmer der Diskussionen. Der Tag steht im Zeichen Afrikas, eines der jüngsten Kontinente, wie oft betont wird. Jung nicht nur, weil viele Länder erst vor wenigen Jahrzehnten ihre Eigenstaatlichkeit erlangten, sondern vor allem, weil die Bevölkerung von jungen Menschen geprägt ist. Doch ihnen wird ihre Zukunft vorenthalten. »Down with Imperialism« (Nieder mit dem Imperialismus) hallt es deswegen durch den mit fast 100 Menschen vollbesetzten Saal ganz am Ende der »roten Zone«, wo das Programm des mitausrichtenden Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ) stattfindet. »Down, down, down!« bekräftigen die Anwesenden ihre Forderung.
»Heute ist der Afrika-Tag, das muss man auch im kalten Russland spüren«, erklärt die Vorsitzende der Panafrikanischen Jugendunion, nachdem der Vertreter des Jugendverbands der mosambikanischen Frelimo den Saal mit einem Kampflied, in dem die ehemaligen Befreiungsbewegungen des Kontinentes besungen werden, zum Tanzen und Mitsingen gebracht hatte. Auf dem Podium haben zudem Delegierte aus Angola, Namibia und der Demokratischen Republik Kongo sowie von der Frente Polisario, der Befreiungsbewegung der Westsahara, Platz genommen. Sie diskutieren über die Schwierigkeiten, mit denen ihre Generation konfrontiert ist: Von außen werden die afrikanischen Länder von den alten Kolonialmächten bedrängt, eine souveräne Entwicklung ist unter diesen Umständen kaum möglich. Der Kolonialismus lebe so weiter fort. Gleichzeitig sitzen die alten Helden, die für die Befreiung gekämpft haben, in der Regierung; die Jugend hat es daher schwer, selbst Verantwortung zu übernehmen, wie der Vertreter aus Angola vom Jugendverband der seit der Unabhängigkeit regierenden MPLA unterstreicht.
Einigkeit herrscht über die Notwendigkeit, die Sahrauris in ihrem Kampf gegen die marokkanische Besatzung zu unterstützen. Die Westsahara ist die letzte Kolonie in Afrika. Nach Jahrzehnten unter spanischer Herrschaft wurde das an Bodenschätzen reiche Land 1975 von dem nördlichen Königreich okkupiert. Solidarität sei notwendig, so wie sie Kuba in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gezeigt hatte. Stürmisch ist deswegen der Beifall, als Fernando González, der im Publik saß, auf die Bühne tritt. Er ist einer der »Cuban Five«, die wegen ihrer Tätigkeit als Kundschafter bis zu 16 Jahre in den USA inhaftiert waren. Die Anwesenden feiern ihn als Helden. González, der selbst zwischen 1987 und 1989 als Freiwilliger in Angola mit der MPLA gegen die Truppen des südafrikanischen Apartheidregimes gekämpft hatte, unterstreicht in Sotschi, dass Havanna an der Seite der afrikanischen Länder stehe. »Viva Cuba«, ruft einer der Zuhörer, woraufhin die Anwesenden die sozialistische Insel im Wechsel mit dem Revolutionär Fidel Castro hochleben lassen.
Der Imperialismus sei in der Offensive, warnt der Vertreter der SWAPO-Jugend aus Namibia. Er verweist auf die Demokratische Republik Kongo, gegen die die USA und die EU Sanktionen verhängt haben, weil die 2016 anstehenden Wahlen vorläufig ausgesetzt wurden. Dabei würden, so der Redner aus Kinshasa, Menschenrechte von den Ländern des Nordens dazu benutzt, den Süden zu destabilisieren. Es gehe um die Sicherung des Zugangs zu den begehrten Ressourcen. »Wir dürfen uns nicht vorschreiben lassen, was wir unter Demokratie zu verstehen haben«, betont die Vorsitzende der Panafrikanischen Jugendunion. Die afrikanischen Länder müssten ihre eigene Definition dafür entwickeln.
Nett und richtig seien die Parolen, meldet sich ein Zuhörer zu Wort. Aber er erwarte auch Taten, denn die fehlten – vor allem, wenn es um die Belange der Jugend gehe. Obwohl eine »radikale Transformation« der Wirtschaft versprochen werde, seien Arbeitsplätze kaum vorhanden. Ein anderes Problem sei, so der Mann aus Tansania mit Blick auf das Podium, dass unter den sechs Rednern nur eine Frau sei. »Auch in dieser Frage müssen wir mehr können«, fordert er ein. Die Mehrheit der Anwesenden kann ihm nur zustimmen.
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