Der Hunger des Reisbauern
Von Gerrit HoekmanDer Film beginnt mit Klängen aus Äthiopien. Ein Chor präsentiert zu einer Art afrikanischem Stehbass ein trauriges Lied: »Lasst die Bauern nicht ihr Land verlieren!« klagen drei ältere Männer. Schnitt. Ein Flugzeug landet nachts in Addis Abeba. An Bord der schwedische Regisseur Joakim Demmer. Er ist ans Horn von Afrika gekommen, um nach dem grünen Gold zu forschen oder besser gesagt, danach, wie es geschürft wird.
Millionen Äthiopier sind auf Lebensmittelhilfe der UN und anderer Organisationen angewiesen. Gleichzeitig erzielen ausländische Investoren dort auf ihren riesigen Farmen mit modernen Methoden beste Ergebnisse und verkaufen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gewinnbringend nach Europa, Nordamerika oder an den arabischen Golf. »Warum exportiert ein Land, in dem Millionen Menschen hungern, Lebensmittel in die Welt der Reichen, in unsere Welt?«, fragt Demmer fassungslos aus dem Off.
Investoren haben die Landwirtschaft als ausgezeichnete Möglichkeit entdeckt, Gewinne zu erzielen. In den vergangenen Jahren haben die Lebensmittelpreise angezogen, ist die Nachfrage alleine durch das Anwachsen der Erdbevölkerung gestiegen. »Seit 2008 begannen institutionelle Anleger wie Versicherungen, Aktien- und Hedgefonds und Pensionskassen, Landwirtschaft als echtes Kapital zu betrachten«, lässt Demmer den Vermögensverwalter Paul McMahon aus New York erklären. So wie vorher Immobilien oder die Forstwirtschaft in den Fokus der Kapitalisten geraten sind.
Der Agrarkonzern Saudi Star zum Beispiel lässt in Äthiopien Reis anbauen. Nicht zur Ernährung der darbenden Bevölkerung, der saudische Konzern produziert nicht für den heimischen Markt, angebaut wird Basmati. »Der ist sehr teuer«, gibt Farmmanager Bedilu Abera zu. »Der ist nur für die Reichen.« Demmers Kommentar: »Für Äthiopien, ein Land, in dem längst nicht jeder satt wird, ist das geradezu absurd.«
Die äthiopische Regierung will Armut und Hunger bekämpfen, und setzt dabei auf ausländische Investoren, die eines Tages vier Millionen Hektar Ackerland bewirtschaften sollen. Demmer fährt gemeinsam mit dem äthiopischen Umweltjournalisten Argaw nach Gambela, wo Saudi Star den Boden pflügen lässt. Mitten in einem Naturschutzpark.
Bulldozer kamen, um Wald zu roden, Kleinbauern mussten verschwinden. Demmer besucht sie in ihren Dörfern. »Wir hatten alles, was wir brauchten. Wir gingen in den Wald und fanden essbare Wurzeln«, erinnert sich Okello, einer von ihnen. »Wir ernteten im Wald Honig, den wir auf dem Markt verkauften, um Schulsachen für die Kinder zu kaufen. Wir führten früher ein gutes Leben.« Dann kam Saudi Star und beanspruchte das Land, die Behörden machten die Drecksarbeit. »Sie sagten, wir hätten kein Recht auf das Land. Wie konnten sie das sagen?« fragt Okello. Hier sind wir aufgewachsen, hier liegen unsere Ahnen begraben.«
»Als die Saudi Star auftauchte, änderte sich alles«, bestätigt Kleinbäuerin Ajullu resigniert. Sie ist einer von 1,5 Millionen Menschen, die im Rahmen des Agrarinvestmentprogramms der äthiopischen Regierung umgesiedelt werden sollen. Während der Hungersnot in den 1980ern, als die ganze Welt entsetzt auf Äthiopien schaute, starben 400.000 Menschen. »Aber der Hunger ist nicht verschwunden«, sagt Argaw. »Millionen von Menschen sind heute auf Lebensmittelhilfe angewiesen.«
Saudi Star gibt einigen der landlos gewordenen Bauern Arbeit auf der Großfarm. Als Tagelöhner. Ein Assistent der Saudi-Star-Farm lobt die sozialen Wohltaten seines Arbeitgebers in den höchsten Tönen, verweist auf Wohncontainer, in denen die Landarbeiter hausen. Der Konzern biete ihnen Essen und medizinische Versorgung. Es gibt einen Fußballplatz, bald vielleicht einen Swimmingpool. »Es ist sehr schön hier«, sagt der Mann, und glaubt: »Der Lebensstandard ist so hoch wie in Europa.«
Widerspruch gegen die Investmentpolitik duldet die Regierung nicht. »Wenn man sich gegen die Investitionen ausspricht, wird man als Entwicklungsgegner gebrandmarkt«, sagt Umweltjournalist Argaw. »Und man kann sehr schnell im Gefängnis landen.« Er selbst wurde während der Dreharbeiten in der Provinzhauptstadt verhaftet. Bei der Freilassung riet ihm die Polizei, sich besser nicht mehr blicken zu lassen, wenn ihm sein Leben lieb sei. Argaw und Demmer müssen die Stadt Richtung Addis Abeba verlassen, Argaw schließlich sogar das Land.
»Die Einheimischen haben beschlossen, die Sklaven dieser großen Investoren zu bleiben«, sagt ein Wildhüter des Nationalparks, der nun Ackerland wird. »Sie arbeiten nun als Tagelöhner auf dem Land, das einst das ihre war«, bemerkt der Film. Viele landlose Bauern flohen über die Grenze in den Südsudan, wo sie jetzt in Flüchtlingslagern leben. Die Stimmung nach dem Film beschreibt das Presseheft sehr gut: »Fassungslosigkeit über das Paradox machte bald einem anderen Gefühl Platz – Wut«.
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