Afrika im Visier
Von Jörg KronauerNatürlich sind sie verlängert worden, die Mandate für die Bundeswehr-Einsätze in Nordmali, Sudan und Südsudan, als der Bundestag vor den Weihnachtsfeiertagen über sie und vier andere abstimmte. Und natürlich hat es eine breite Mehrheit dafür gegeben, dass deutsche Soldaten in den drei Ländern stationiert bleiben. Über drei weitere Einsätze in Afrika wird im Frühjahr abgestimmt: Die Mandate für die EU-Trainingsmissionen (EUTM) in Mali und Somalia und für die Marineintervention am Horn von Afrika laufen zur Zeit noch. Auch sie werden aller Voraussicht nach verlängert. Die nördliche Hälfte des afrikanischen Kontinents ist zu einem Schwerpunktgebiet deutscher Militäroperationen geworden, und das wird sie wohl bleiben.
Zentral für die deutsche Afrika-Politik ist derzeit der Einsatz in Mali, der letztlich die gesamte Sahelzone im Visier hat. Begonnen hat er 2013, offiziell mit dem Ziel, die Unruhen im Norden des Landes, die zum Teil dschihadistisch geprägt sind, unter Kontrolle zu bekommen. Das ist – nach immerhin fast fünf Jahren – nicht gelungen. Nicht nur Nord-, auch Zentralmali sei »quasi außer Kontrolle«, hat kürzlich der frühere französische Diplomat Laurent Bigot konstatiert, der sich im Sahel bestens auskennt: »Noch nie gab es ein derartiges Niveau an Gewalt in Mali wie heute.« Der UN-Einsatz in Nordmali (Minusma), an dem die Bundeswehr aktuell mit fast tausend Soldaten beteiligt ist, gilt denn auch als gefährlichste »Blauhelm-Intervention« weltweit: Bis September 2017 waren 133 Todesopfer zu verzeichnen.
Das bisherige Scheitern des Einsatzes ist der Grund dafür, dass im Sahel größere militärische Umgruppierungen bevorstehen. Sie betreffen den Bestand der beiden Einsätze, in deren Rahmen deutsche Soldaten in Mali stationiert sind, zwar nicht unmittelbar; Minusma wird mit ihren gut 11.000 Soldaten und rund 1.600 Polizisten weitergeführt, und auch EUTM Mali wird mit etwa 600 Soldaten, darunter fast ein Drittel Deutsche, das malische Militär weiterhin trainieren. Frankreich will allerdings langfristig Ersatz für seine »Opération Barkhane« schaffen, die mit rund 3.000 Mann im Prinzip in fast der gesamten Sahelzone operiert – und auf Dauer viel Geld kostet. Paris und Berlin haben deshalb die Gründung einer Eingreiftruppe (Force conjointe) der sogenannten G5 Sahel vorangetrieben, auf die sich die Opération Barkhane erstreckt: Neben Mali sind dies Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad.
Offiziell ist die Aufstellung der »G5 Sahel«-Eingreiftruppe, die langfristig die Kriegführung in der Sahelzone von der Opération Barkhane übernehmen soll, Anfang Juli beschlossen worden. Sie soll letzten Endes 5.000 Soldaten umfassen – 1.000 aus jedem der beteiligten Länder. Aktuell wird die Truppe aufgebaut, und das mit deutscher Hilfe: Im Rahmen von EUTM Mali trainieren auch deutsche Militärs schon seit einiger Zeit immer wieder Soldaten aus den Staaten der »G5 Sahel«. Zuletzt fanden »Beratungsmaßnahmen« und ein zweiwöchiger Ausbildungskurs für »G5 Sahel«-Stabspersonal bei EUTM Mali statt. Berlin hat darüber hinaus versprochen, den Aufbau einer Verteidigungsakademie (»Collège de défense du G5 Sahel«) in Mauretanien zu fördern. Am 8. Dezember hat der UN-Sicherheitsrat beschlossen, dass in Zukunft Minusma-Einheiten die »G5 Sahel«-Eingreiftruppe punktuell unterstützen sollen, etwa bei der Versorgung mit Treibstoff und Wasser sowie bei der Evakuierung von Verletzten. Auf diese Weise geriete die Bundeswehr ein weiteres Stück in den sich ausweitenden Sahelkrieg hinein.
Dabei bekommt dieser nun eine neue Dimension. Mitte Dezember ist auf einem Gipfeltreffen in Paris, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel teilgenommen hat, die Finanzierung der Truppe festgeklopft worden. Der Bedarf wird offiziell auf 500 Millionen US-Dollar pro Jahr, inoffiziell auf weniger als 300 Millionen US-Dollar geschätzt. Die »G5 Sahel«-Staaten haben jeweils zehn Millionen Euro zugesagt, die EU 50 Millionen, Frankreich acht, die USA jüngst 60 Millionen US-Dollar. In Paris haben die Vereinigten Arabischen Emirate 30 Millionen sowie Saudi-Arabien 100 Millionen US-Dollar in Aussicht gestellt. Die Emirate wollten sich am Aufbau der Verteidigungsakademie in Mauretanien beteiligen, hieß es. Insbesondere Riad, in gewissem Maß aber auch Abu Dhabi sind seit einiger Zeit dabei, außenpolitisch in die Offensive zu gehen und ihre Aktivitäten jenseits der Arabischen Halbinsel zu intensivieren, etwa in Ägypten und in Libyen. Sie nutzen dies auch, um ihre Stellung im regionalen Machtkampf gegen Iran zu stärken. Um Irans Einfluss zurückzudrängen, führen beide zudem einen blutigen Krieg im Jemen, in dem zahlreiche Zivilisten bei Luftschlägen der von Riad geführten Kriegskoalition zu Tode kommen. Zudem hat Saudi-Arabien eine mörderische Hungerblockade gegen den Jemen initiiert.
Auf dem Pariser Gipfeltreffen hat Saudi-Arabiens Außenminister Adel Al-Dschubeir mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Kanzlerin Merkel vereinbart, dass Riad sich auch militärisch an der Kriegführung im Sahel beteiligen wird. Als Instrument dazu soll ein von Saudi-Arabien im Dezember 2015 gegründetes Militärbündnis dienen, das unter dem Namen »Islamic Military Counter Terrorism Coalition« (IMCTC) firmiert und offiziell rund 40 Staaten Afrikas und Asiens umfasst, die sunnitisch geprägt sind oder zumindest einen großen sunnitischen Bevölkerungsanteil aufweisen. Die Gründung des Bündnisses gilt als Teil der saudischen Bestrebungen, die Dominanz über die islamische Welt zu erlangen und Irans Einfluss zu schwächen. Laut Al-Dschubeir wird die IMCTC die »G5 Sahel«-Eingreiftruppe mit Logistik, Aufklärung und Ausbildung unterstützen. Die dazu notwendigen Schritte sollen in Kürze auf einem IMCTC-Treffen in Saudi-Arabien eingeleitet werden. Kann Saudi-Arabien, die Speerspitze der salafistischen Reaktion, tatsächlich seinen Einfluss im Sahel ausweiten, dann wird man daran erinnern dürfen, dass es dies auf wohlwollende Einladung aus Berlin und Paris getan hat.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!