Neue Führungsfiguren, alte Systeme
Von Christian Selz, KapstadtAm Tag, nachdem in Simbabwe das Militär ausgerückt war, um Staatschef Robert Mugabe zu stürzen, schrieb Derek Hanekom in Südafrika eine kurze Nachricht auf Twitter. »Vielleicht gibt es eine Botschaft aus Simbabwe – Präsidenten sollten ihr Glück nicht überstrapazieren«, textete der Veteran des Anti-Apartheid-Kampfes und derzeitige Vorsitzende des Disziplinarkomitees der südafrikanischen Regierungspartei African National Congress (ANC) am 15. November.
An wen sich Hanekoms Botschaft richtete, war offensichtlich: Südafrikas Staatschef und damals noch ANC-Präsident Jacob Zuma versuchte zu dieser Zeit mit aller Kraft, seine ehemalige Ehefrau Nkosazana Dlamini-Zuma an der Parteispitze zu installieren. Das Vorhaben misslang, auf dem ANC-Wahlparteitag übernahm Zumas Gegenspieler Cyril Ramaphosa die Führung der einstigen Befreiungsbewegung, er wird damit bei den Präsidentschaftswahlen 2019 auch Spitzenkandidat der Partei werden. Der Personalwechsel an der Staatsspitze, der in Simbabwe vollzogen wurde, ist also auch in Südafrika bereits programmiert. Politisch waren das die wichtigsten Ereignisse im südlichen Afrika 2017. Einen radikalen Wandel bedeuteten sie indes in keinem der beiden Länder.
Natürlich sind Simbabwe und Südafrika nicht wirklich vergleichbar. Der Binnenstaat nördlich des Limpopo-Flusses liegt gebeutelt von internationalen Sanktionen, hausgemachter Vetternwirtschaft und Korruption sowie einer daraus resultierenden Hyperinflation seit 2008 wirtschaftlich am Boden, der große Nachbar an der Südspitze des Kontinents ist noch immer ein regionales Zugpferd. Ebenso entscheidend sind die Unterschiede in der Staatsstruktur: Während in Südafrika starke demokratische Institutionen die Regierung kontrollieren und die Gerichte sich nicht scheuen, regelmäßig gegen den Präsidenten zu urteilen, steht in Simbabwe das Militär über allem. Besonders deutlich wurde das beim Putsch im November. In dem Moment, als Staatschef Mugabe auf Drängen seiner Ehefrau Grace den Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa entlassen hatte, griffen die Generäle durch.
Unter Kontrolle der Armee
Mnangagwa war der Mann des Militärs in der Regierung, ihn kaltzustellen hätte bedeutet, das System auszuschalten. Die Armee kontrolliert weite Teile der simbabwischen Wirtschaft, vor allem im Bergbau. Und in letzter Konsequenz lenkt sie auch die Regierungspartei Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (ZANU-PF), was in deren Aktionen im November klar zu erkennen war. Nur wenige Wochen, nachdem die ZANU-PF den Rauswurf Mnangagwas eifrig beklatscht und diesem in einer öffentlichen Erklärung »Züge von Untreue, Missachtung, Hinterlist und Unzuverlässigkeit« attestiert hatte, hob sie den Mann mit dem Beinamen »Krokodil« auf die Posten des Partei- und Staatschefs. Grace Mugabe, die schon wie die Siegerin im Rennen um die Nachfolge ihres 41 Jahre älteren Gatten ausgesehen hatte, wurde auf Lebenszeit aus der Partei ausgeschlossen. Der Putsch war damit kein Umbruch, sondern lediglich die Entfernung der Führungsfigur Mugabe, der entscheidende Schlag gegen die nach der Macht greifende jüngere Fraktion um dessen Ehefrau und letztlich die Restauration des alten Regimes.
In Südafrika ist die Rolle des Militärs nicht annähernd so stark, in der Wirtschaft spielt es praktisch keine Rolle. Der Konflikt, der den ANC insbesondere in diesem Jahr so tief wie nie zuvor gespalten hat, beruht dagegen auf einem Kampf zweier Kapitalflügel. Hintergrund ist der Versuch geschäftlich mit dem Lager von Präsident Zuma verbundener Unternehmer, ihren politischen Einfluss in monetäre Gewinne umzuwandeln. Weil sie dazu vor allem bei der Vergabe staatlicher Aufträge zugreifen oder zumindest in eine Vermittlerrolle zwischen Regierung und internationalen Konzernen schlüpfen – die Grenze zwischen »Berater« und »Schmiergeldempfänger« ist hier fließend –, beschreibt nicht nur die South African Communist Party (SACP) dieses Vorgehen als »parasitäre Unterwanderung des Staates«.
Diese steht jedoch nicht nur der von den Kommunisten angestrebten demokratischen Kontrolle der Wirtschaft im Wege, sondern schmälert auch die Gewinnmargen des etablierten Kapitalflügels, also der internationalen Konzerne nebst lokaler Partner. Letztere Fraktion hatte nach dem Ende der Apartheid versucht, die neue politische Elite mit Unternehmensbeteiligungen einzubinden. Der Mitte Dezember zum neuen ANC-Präsidenten gewählte Exgewerkschafter und bisherige Parteivizepräsident Cyril Ramaphosa ist dafür ein ideales Beispiel: Mit zahlreichen Konzernengagements, darunter beim Platinriesen Lonmin, an dessen Marikana-Mine im Jahr 2012 während eines Streiks 44 Menschen getötet worden waren, wurde er zum Milliardär. Sein Aufstieg an die Parteispitze untermauert den Einfluss des prowestlichen Kapitals, da aber auch das Zuma-Lager mindestens die Hälfte des neugewählten Personals der Parteispitze stellt, ist der Ausgang des ANC-Wahlparteitags eher als Kompromiss zwischen den Fraktionen zu werten. Auch wenn die Vorzeichen und Verhältnisse andere sind, findet in Südafrika ähnlich wie in Simbabwe eher eine Festigung des alten Systems als ein Umbruch statt.
Kleines Übel
Sowohl Mnangagwa als auch Ramaphosa stehen dabei für eine unternehmensfreundliche, neoliberale Politik und werben offen um internationale Investoren. Der Einfluss linker Kräfte ist dabei in Simbabwe kaum noch wahrnehmbar und auch in Südafrika ist er stark geschwächt. Die SACP, bisher stets im Bündnis mit dem ANC, beschloss dort infolge einer nicht abgesprochenen Kabinettsumbildung durch Zuma in der ersten Jahreshälfte, künftig eigenständig zu Wahlen anzutreten, und hat diese Ankündigung bei ersten kommunalen Nachwahlen bereits umgesetzt. Sie bleibt jedoch wie auch der Gewerkschaftsbund COSATU Teil der Regierungsallianz. Deren Zerbrechen wurde nun auch mit der Wahl Ramaphosas verhindert, den sowohl SACP als auch COSATU gegen die Kandidatur von Zumas Exfrau unterstützt hatten – wenn auch eher als geringeres Übel denn aus programmatischen Gründen.
Ruhe dürfte damit dennoch nicht einkehren. Denn die Allianzpartner, die bisher offen und deutlich Zumas Rücktritt gefordert haben, werden dies auch künftig tun. Noch am 24. Dezember kritisierte die SACP, dass der Präsident Einspruch gegen eine Gerichtsentscheidung eingelegt hatte, mit der die Einberufung einer Untersuchungskommission zur Unterwanderung des Staates durch politisch vernetzte Unternehmer durchgesetzt worden war. Zuma, so argumentieren die Kommunisten, wolle den Prozess verschleppen, weil er selbst in den Skandal verwickelt sei. Der Druck der Justiz und der Allianzpartner allein hat bisher freilich nicht ausgereicht, um den Staatschef aus dem Amt zu drängen. Da der ANC mit seinem Skandalpräsidenten allerdings Gefahr läuft, bei den Wahlen 2019 seine absolute Mehrheit zu verlieren, könnten künftig auch bisherige Zuma-Loyalisten zur Wahrung ihrer eigenen Machtinteressen umschwenken. Wie schnell das gehen kann, hat sich in der ZANU-PF gezeigt. Nicht ausgeschlossen also, dass Derek Hanekom, der Anfang des Jahres übrigens als Tourismusminister entlassen worden war, nachdem er Zumas Rücktritt gefordert hatte, am Ende doch recht behält mit seiner »Botschaft aus Simbabwe«.
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