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05.10.2012, 23:44:22 / Venezuela wählt

Die Opposition spammt

Von André Scheer, Caracas

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag endete in Venezuela offiziell der Wahlkampf. Seither sind Wahlkampfaktivitäten – Kundgebungen, Wahlveranstaltungen, Infostände – untersagt. Doch die Regierungsgegner setzen ihre Kampagne fort – per Spam.

Erst am Mittwoch haben sich die jW-Korrespondenten in Caracas eine neue Handynummer zugelegt, um in der venezolanischen Hauptstadt erreichbar zu sein. Am Freitag morgen dann erreichte uns eine SMS, die von einer venezolanischen Nummer aus geschickt wurde. Die Nummer war uns unbekannt – kein Wunder, denn der Absender lud uns ein, die Rechtspartei »Un Nuevo Tiempo« (Eine Neue Zeit) zu wählen: »Wähle sicher, wähle Henrique Capriles auf der Liste von Un Nuevo Tiempo – unten rechts auf dem Stimmzettel«.

Die jW-Korrespondenten, die natürlich gar nicht wahlberechtigt sind, haben ihre Nummer nirgendwo registriert. Trotzdem erreichte uns diese Nachricht. Und wir sind nicht die einzigen. Venezolanische Studenten, die zum Beispiel in Deutschland eine Universität besuchen, wurden bereits vor Wochen auf diese Art und Weise behelligt.

Offensichtlich stellen Kräfte in den venezolanischen Mobilfunkunternehmen den Regierungsgegnern ihre Infrastruktur für die Propaganda zur Verfügung, vermutet Carlos Aquino, Organisationssekretär der KP Venezuelas, im Gespräch mit junge Welt.

Auf andere Weise machen Oppositionelle zudem Stimmung gegen die Regierung. Mitten in der Nacht, gerne gegen 2 Uhr, werden Wahlberechtigte von mexikanischen und anderen ausländischen Nummern angerufen. Sie hören eine Stimme, die an die von Präsident Chávez erinnert und sie aufruft, am Sonntag für den Amtsinhaber zu stimmen. Die Rechnung hinter diesen Anrufen ist offensichtlich, daß die so Belästigten aus Empörung gerade der Opposition ihre Stimme geben. Aus dem Regierungslager stammen diese Anrufe jedenfalls nicht, wie das »Comando Carabobo«, der Wahlkampfstab von Hugo Chávez betont.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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