Agrobusiness blockiert Agrarreform in Brasilien
Immer stärker kontrollieren »modernisierte« Großgrundbesitzer die brasilianische Landwirtschaft. Darauf machte in seinem Referat der Vertreter der brasilianischen Landlosenbewegung »Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra« (MST), Geraldo Gasparin, aufmerksam.
Ihre ökonomische und ideologische Vormacht und Kontrolle über Markt und Preise für landwirtschaftliche Produkte basiere auf einem Klassenbündnis zwischen transnationalen Unternehmen, Finanzkapital, großen Medien und Latifundisten, welche die Commodities (standardisierbare landwirtschaftliche Produkte) herstellen. Die 50 größten Agrarindustriebetriebe mit ausländischem und nationalem Kapital kontrollieren in Brasilien praktisch deren gesamte Produktion.
Dabei setzt sich, so Gasparin, immer stärker die Monokultur spezialisierter Produkte durch. Die brasilianischen und ausländischen Unternehmer investieren immer stärker in die Soja-, Mais- und Zuckerrohrproduktion. Durch intensive Mechanisierung fallen Arbeitsplätze weg. Chemische Düngemittel und Agrargifte kommen unbeschränkt zum Einsatz. Transnationale Agrargifteproduzenten dominieren auch das, häufig gentechnisch angepasste, Saatgut.
Seit 2008 fließt verstärkt Finanzkapital und fiktives Kapital in die Länder des Südens - eingesetzt zur Aneignung der Natur – zum Kauf von Land, natürlichen Ressourcen und landwirtschaftlichen Produzenten. In Brasilien werden jährlich etwa 80 Milliarden Dollar ausländischen Kapitals in natürliche Ressourcen investiert.
Acht Jahre Lula-Regierung haben am brasilianischen makro-ökonomischen Modell praktisch nichts verändert, schätzt der MST-Vertreter ein. Unter der ebenfalls von der Arbeiterpartei PT stammenden Präsidentin Dilma Rousseff hat sich der Prozeß der Agrarreform - einem zentralen Kampffeld der Landlosen - sogar noch weiter verlangsamt.
Die Bodenpreise sind gestiegen und durch die die Entwicklung des exportorientierten Agrobusiness werden Flächen blockiert, die für die Expansion späterer Geschäfte nicht kultiviert werden.
Besonders dramatisch schätzt der MST die Bedrohung von Mensch und Umwelt durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln und anderen giftigen Agrarchemikalien ein. Diese zerstören die Biodiversität und beeinträchtigen die menschliche Gesundheit, indem sie Krebs und andere Krankheiten verursachen. Fazit: Das Modell des Agrobusiness ist nicht in der Lage, gesunde Nahrung zu produzieren.
Nur eine Million der etwa 4,8 Millionen landwirtschaftlichen Klein- und Familienbetriebe Brasiliens ist in den Markt integriert. Der großen Mehrzahl ist der Weg dahin versperrt und sie produzieren praktisch nur für den Eigenbedarf. Das Kapital betreibt landwirtschaftliche Produktion ohne Landwirte und mit wenigen Arbeitskräften. Verstärkte Migration und Entvölkerung des Binnenlandes sind die Folge.
Ein Schwerpunkt des MST ist die Verteidigung jener brasilianischen Umweltgesetze - wie das Waldgesetz -, die ein Hindernis für das Vorankommen des Kapitals in der Landwirtschaft darstellen. Hierzu sollen große Kampagnen durchgeführt werden, genauso gegen den Einsatz von Agrargiften (im Umfeld der Konferenz Rio+20). Für eine wirkliche Agrarreform soll es auch 2012 Mobilisierungen geben, Besetzungen von brachliegenden Latifundien, neue Feldlager.
Seine Bewegung - als große, sozialistisch orientierte Massenbewegung, unterstrich Gasparin, sehe die aktuelle Herausforderung darin, Organisation und Bewußtseinsbildung zu verstärken, um der Offensive des Kapitals entgegenzutreten und soziale Errungenschaften für das brasilianische Volk zu erkämpfen. (pst)
Die vollständigen Inhalte aller Referate werden in einer Sonderbeiolage der jungen Welt und in der Broschüre zur Rosa-Luxemburg-Konferenz 2012 veröffentlicht.
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