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Anhaltender Exodus

»Umfassende Krise«: Über 400.000 Austritte bei katholischer Kirche im Jahr 2023

Leere im Beichtstuhl: Mehr als 400.000 Menschen sind im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik aus der katholischen Kirche ausgetreten. Der Aderlass der zurückliegenden Jahre hält damit weiter an, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau als im Rekordjahr 2022, als mehr als eine halbe Million Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt hatten. Damit hat die Kirche noch 20,3 Millionen Mitglieder, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag in Bonn mitteilte. Im laufenden Jahr könnte erstmals die 20-Millionen-Marke unterschritten werden.

»Die Zahlen sind ein Indikator der Wirklichkeit«, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Limburg, Georg Bätzing, laut dpa. Die Entwicklung sei »alarmierend«, die Kirche stecke in einer »umfassenden Krise«, so Bätzing weiter. Selbst mit Reformen sei dem nicht mehr beizukommen. »Aber die Krise wird sich ohne Reformen verschärfen«, zeigte sich Bätzing überzeugt und mahnte weitere notwendige Veränderungen an.

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger beklagte frustriert, es sei »seit Jahren das gleiche Bild«. Jedes Jahr habe die Kirche ein paar hunderttausend Mitglieder weniger. Auch der Passauer Erzbischof Stefan Oster – der mit den Bischöfen Gregor Maria Hanke aus Eichstätt, Rudolf Voderholzer aus Regensburg und dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki den ultrakonservativen Block unter den deutschen Kirchenfürsten bildet und Reformbemühungen unnachgiebig im Weg steht – beklagte: »Wir werden Jahr für Jahr weniger.«

Der Theologe Daniel Bogner von der Universität Fribourg in der Schweiz zog einen aufschlussreichen Vergleich: Während die katholische Kirche 2022 Mitglieder in der Größenordnung einer Stadt wie Nürnberg verloren habe, entspreche der Schwund von 2023 immerhin noch der Einwohnerzahl Bochums. »So etwas ist dramatisch, man kann es sich nicht schönreden«, so Bogner zur dpa.

Im Kölner Erzbistum – nach der verkorksten und mit einer Vielzahl juristischer Winkelzüge betriebenen »Aufklärung« im sogenannten Missbrauchsskandal sozusagen der »Problembär« unter den Bistümern – wird die aktuelle Entwicklung nicht ganz so schwarz gesehen, sondern vielmehr als Verschnaufpause interpretiert. Auf dem bistumseigenen Portal domradio.de konstatierte Generalvikar Guido Assmann am Donnerstag eine »positive Entwicklung«. Zwar fiel der Mitgliederschwund in Köln vergangenes Jahr tatsächlich nicht so stark aus wie im Jahr zuvor. Mit einem Minus von insgesamt knapp 60.000 Mitgliedern – Austritte, Sterbefälle, Taufen sowie Neu- und Wiedereintritte gegeneinander aufgerechnet – bewegt sich der Verlust aber nach wie vor auf hohem Niveau. Auch wenn das Kölner Bistum immer noch die stolze Zahl von 1.678.754 Katholiken aufweist, muss man schon kräftig das Weihrauchfass schwenken und tief inhalieren, um der Entwicklung Positives abzugewinnen.

Die Einschätzung des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas Schüller hat da mehr Überzeugungskraft: »Die Implosion der katholischen Kirche zu einer Minderheitenkirche ist unumkehrbar.« Zu diesem Ergebnis kam 2019 auch eine Untersuchung der Universität Freiburg. Demnach wird die Zahl der Kirchenmitglieder – katholisch und evangelisch – bis zum Jahr 2060 um die Hälfte auf knapp 23 Millionen sinken. Laut einer Untersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland von 2023 bezeichnen sich mittlerweile 56 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung als uneingeschränkt »nicht religiös«. Als Blick in die Zukunft könnte sich der nach Osten für die christlichen Kirchen erweisen: Schon 2012 hatte die Universität Chicago herausgefunden, dass Ostdeutschland die wohl ungläubigste Region der Welt ist: 59 Prozent der Bevölkerung sagten damals, dass sie noch nie an Gott geglaubt haben – in den USA sind es hingegen nur vier Prozent.

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