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Betr.: Artikel Frankreich vor Richtungswahl

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Frankreich vor Richtungswahl

Nur die linke Volksfront kann Le Pens Rechtsbündnis noch aufhalten. Macron steht zynisch am Rand

Knapp 49 Millionen französische Wahlberechtigte müssen am Sonntag darüber entscheiden, ob ihr Land künftig in die Hände eines Rechtsbündnisses fällt, in dem von harten Faschisten bis zu katholischen Fundamentalisten alle versammelt sind, die der sogenannten offenen Demokratie europäischer Prägung den Krieg erklärt haben: Rassisten, Antisemiten, Abtreibungsgegner, Muslimfeinde – aber auch politische Opportunisten, die aus dem bürgerlich-konservativen Lager ausgeschert sind, um vom gesellschaftlichen Aufstieg der Rechtsbewegung politisch und wirtschaftlich zu profitieren. Verhindern kann deren Wahlsieg und mögliche Regierungsübernahmen nur noch die quasi in letzter Minute zusammengetrommelte linke Volksfront, der Front Populaire (FP).

Der rechtsliberale Staatschef Emmanuel Macron, der diese Schicksalswahl mit der vorzeitigen Auflösung des Parlaments am Abend der EU-Wahl fahrlässig verursacht und zu verantworten hat, findet sich in den kommenden Tagen – es muss in zwei Runden am 30. Juni und am 7. Juli abgestimmt werden – vorerst nur noch als Zuschauer auf den billigen Rängen wieder.

Was die Meinungsforscher Frankreichs in dieser Woche an Umfrageresultaten veröffentlichten, gibt wenig Anlass zu Hoffnung oder gar Freude. Das als ausgesprochen seriös geltende Institut français d’opinion publique (IFOP), Partner zahlreicher Zeitungen und TV-Sender, sieht den weit rechtsaußen agierenden Rassemblement National (RN, früher Front National) mit inzwischen 36 Prozent Zustimmung weit vor allen anderen Parteien. Die Volksfront – eine Union aus Sozialdemokraten, Kommunisten, La France insoumise (LFI) und Grünen – folgt mit »bis zu« 30 Prozent dahinter. Mit 19–20 Prozent kümmert Macrons Präsidentenwahlverein, der wirtschaftsliberale bürgerliche Zusammenschluss Ensemble (deutsch: gemeinsam), seit Wochen stabil am Ende der Skala.

Angeführt wird das dem Sieg zustrebende Rechtsbündnis von der mehrfachen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und ihrem politischen Ziehsohn, dem erst 28 Jahre alten Jordan Bardella, der als Spitzenkandidat für das Amt des künftigen Regierungschefs antritt. Integriert in Le Pens nach eigener Einschätzung vom Faschismus befreite Truppe – sie nennt es »dediabolisé« (entteufelt) –, hat sich der bürgerliche Rechtsaußen Éric Ciotti, Präsident der konservativen Les Républicains. Er bringt nahezu die Hälfte seiner zerstrittenen Partei und damit rund vier Prozent Umfrageergebnis in die unheilige Ehe mit Le Pen. Bei der Linken ist es der LFI-Patriarch Jean-Luc Mélenchon, der für Unruhe sorgt. Immer wieder lässt er hören, dass er sich selbst für den besten Regierungskandidaten hält – eine Position, die in der Volksfront nicht mehrheitsfähig ist und allenfalls zum Sprengsatz für die mühsam zusammengesuchte Einheit werden könnte.

Staatschef Macron hat mit seinen TV-Auftritten und einem »Brief an die Franzosen« alle Schleusen für Hassredner in den sogenannten sozialen Netzwerken geöffnet. Denn er wirft Volksfront und Rechtsunion als »linke und rechte Extremisten« in einen Topf und verkauft sich selbst samt seiner abgehalfterten Formation Ensemble als »einzige demokratische Alternative«. Doch nicht nur im Internet werden dunkelhäutige Menschen französischer Nationalität seit Wochen mit widerlichen Schimpfkanonaden beleidigt und bedroht. Den Trend haben Milliardäre wie der katholische Fundamentalist Vincent Bolloré in ihren zusammengekauften und streng auf rechtsaußen gebürsteten Medien sogar erst befördert. Bolloré hat nicht nur den Faschistenführer Éric Zemmour und dessen Partei Reconquête (Rückeroberung) unterstützt. Er versorgt genehme Kandidaten auch finanziell und kümmert sich um ihre Außendarstellung in seinen TV-Sendern.

Ihm gleich tut es der Investmentmilliardär Pierre-Edouard Stérin, der – ebenfalls als katholischer Traditionalist aktiv – seit einiger Zeit Bardella fördert, sein »Fohlen«, das die Jugend des Landes betören und auf die rechte Bahn bringen soll. Offenbar erfolgreich, wenn die Wahlstatistiken stimmen sollten.

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