75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 5. Juli 2024, Nr. 154
Die junge Welt wird von 2836 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Leserbrief verfassen

Betr.: Artikel Eurotrade feuert Betriebsrätin

Artikel »Eurotrade feuert Betriebsrätin« einblenden / ausblenden

Eurotrade feuert Betriebsrätin

Engagierte Beschäftigte und Gewerkschafterin wird vor Aufsichtsratswahl am Münchner Flughafen mit dubioser Begründung gekündigt

Dieser Fall dürfte ziemlich einzigartig sein: Kurz vor einer für diesen Montag anstehenden Aufsichtsratswahl kündigte die Handelsgesellschaft Eurotrade einer Gewerkschaftskandidatin für das Gremium. Am Wochenende mussten Gerichte im Eilverfahren zunächst über die Unzulässigkeit dieses Vorgangs entscheiden. »Unsere Kollegin Neli Birks ist nicht einfach eine Betriebsrätin, sondern vielmehr eine durch und durch engagierte Gewerkschafterin«, betont der für Eurotrade zuständige Münchner Verdi-Sekretär Dominik Datz. »Sie hat dafür gesorgt, dass in der letzten Tarifrunde regelmäßig bis zu 50 Prozent der Geschäfte am Münchner Flughafen über Tage hinweg streikbedingt geschlossen blieben.« Eine Gerichtsentscheidung lag junge Welt bis Redaktionsschluss am Sonntag nicht vor.

Eurotrade ist für Betrieb und Vermietung des gesamten Shoppingbereichs an diesem Airport zuständig, und ein Tochterunternehmen der Flughafengesellschaft München. Birks anhaltendes Engagement muss das Unternehmen offenbar stark verärgert haben, denn vor einigen Tagen wurde ihr fristlos und ohne Angabe von Gründen gekündigt. Gerüchten nach hieß es, sie habe eine dienstliche Mail auf ihren Privataccount weitergeleitet. Versuche, unliebsame Beschäftigtenvertreter loszuwerden, gebe es immer wieder, doch dieser Fall sei anders gelagert, betont Dominik Datz. Es sei ihm noch nicht untergekommen, dass einer aussichtsreichen Aufsichtsratskandidatin kurz vor der anstehenden Wahl gekündigt werde, erklärte er im jW-Gespräch. Das Mitbestimmungsrecht sehe einen solchen Fall auch gar nicht vor.

Neli Birks war nicht allein am Flughafen aktiv bei der Streikorganisation in den dortigen Shops. Sie gehörte der Verdi-Verhandlungskommission bei den Tarifrunden für den bayerischen Einzelhandel an. Außerdem packt sie kontroverse Themen wie schlechte Arbeitsbedingungen und miserable Arbeitszeitgestaltung an. »Das alles belegt ihr herausragendes Engagement, bevor sie auf eine plumpe und konstruierte Art und Weise durch die Kündigung gestoppt wurde. Das ist einfach skandalös«, so Verdi-Sekretär Datz. Das Ganze kurz vor den Aufsichtsratswahlen loszutreten bedeute letztlich auch, die Kollegin und ihre Gewerkschaft an einem fairen Wahlkampf zu hindern. Aber er ist sich zugleich sicher, dass Neli Birks sich nicht stoppen lassen werde.

Die Konstruktion, der Kollegin die missbräuchliche Weiterleitung einer dienstlichen Mail zu unterstellen sei absurd, denn Eurogate verschicke selbst »regelmäßig E-Mails mit datenschutzrelevanten Informationen an die privaten E-Mail-Adressen von Betriebsrät*innen«, empörte sich Hubert Thiermeyer, der Leiter des Fachbereichs Handel bei Verdi Bayern in einer Mitteilung. Die Information, Birks habe eine Mail angeblich weitergeleitet, könne Eurotrade zudem eigentlich nur durch den illegalen Zugriff auf ihren Account erhalten haben. »Das ist der eigentliche Datenschutzskandal am Flughafen München.« Trotz Aufforderung sei das Unternehmen bisher nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, den vermuteten Datenschutzverstoß aufzuklären.

Juristisch vertreten wird Neli Birks von dem erfahrenen Münchner Arbeitsrechtler Rüdiger Helm, der die außerordentliche Kündigung als »rechtlich unhaltbar« einstufte. Diese sei in einem Maße »schikanös«, wie es ihm schon lange nicht mehr untergekommen sei. Die »engagierte Kollegin« habe in der Vergangenheit »Fehlverhalten von Unternehmensverantwortlichen vor Gericht aufgedeckt«, die nun mit der ganz offensichtlich haltlosen Kündigung Rache gegenüber der Gewerkschafterin ausüben wollten. Das Ganze sei eine »beispiellose Täter-Opfer-Verdrehung«, sagte der Rechtsanwalt. Beim Arbeitsgericht wurde bereits Kündigungsschutzklage eingereicht. Außerdem hat Verdi Eurotrade aufgefordert, Neli Birks umgehend den Zugang zum Betrieb zu gewähren, um den Schaden durch die Wahlbeeinträchtigung nicht noch größer werden zu lassen. Inzwischen erklären sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen solidarisch mit der engagierten Gewerkschafterin.

Leserbriefe müssen redaktionell freigeschaltet werden, bevor sie auf jungewelt.de erscheinen. Bitte beachten Sie, dass wir die Leserbriefe Montags bis Freitags zwischen 10 und 18 Uhr betreuen, es kann also einige Stunden dauern, bis Ihr Leserbrief freigeschaltet wird.

Sie erklären sich damit einverstanden, dass wir dessen Inhalt ggfls. gekürzt in der gedruckten bzw. Online-Ausgabe der Tageszeitung junge Welt und in sog. sozialen Netzwerken wiedergeben können. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Die junge Welt behält sich Kürzung Ihres Leserbriefs vor.

Bitte beachten Sie unsere Netiquette (einblenden / ausblenden)

Netiquette

Liebe Leserin, lieber Leser,

bitte beachten Sie die folgenden Hinweise für Ihre Beiträge zur Debatte.

Ihr Leserbrief sollte sich auf das Thema des Artikels beziehen. Veröffentlicht wird Ihr Beitrag unter Angabe Ihres Namens und Ihres Wohnortes. Nachname und Wohnort können abgekürzt werden. Bitte denken Sie daran, dass Ihr Text auch nach Jahren noch im Internet auffindbar sein wird. Wir behalten uns eine redaktionelle Prüfung vor, ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht.

Für uns und unsere Leser sind Ihre eigenen Argumente interessant. Texte anderer sollen hier nicht verwendet werden. Bitte bleiben Sie auch im Meinungsstreit höflich. Schmähungen oder Schimpfwörter, aggressive oder vulgäre Sprache haben hier keinen Platz. Denken Sie daran: »Auch der Haß gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge.« (Bertolt Brecht)

Äußerungen, die als diskriminierend, diffamierend oder rassistisch aufgefasst werden können, werden nicht toleriert. Hinweise auf kommerzielle Angebote jeder Art sind ausdrücklich nicht gewünscht. Bitte achten Sie auf die Orthografie und bitte nicht »schreien«: Beiträge, die in Großbuchstaben abgefasst wurden, werden von uns gelöscht.

Die Moderation bedeutet für unsere Redaktion einen zusätzlichen Aufwand: Leserbriefe zu älteren Artikeln sind deshalb nur befristet möglich. Außerdem kann es etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis die Redaktion Ihren Leserbrief bearbeiten kann, dafür bitten wir um Verständnis. Orthografische Änderungen durch die Moderation machen wir nicht kenntlich, Streichungen mit eckigen Klammern.

Viel Freude am Debattieren!