Werbeboykott gegen junge Welt
Radiosender weigern sich, einen Werbespot für überregionale Tageszeitung zu senden, weil Werbung für den Frieden eine Weltanschauung transportieren würde
Der die Tageszeitung junge Welt herausgebende Verlag 8. Mai GmbH führt anlässlich des siebzigjährigen Bestehens der Zeitung eine crossmediale Werbekampagne durch. Mit aufeinander abgestimmten Plakaten und Radiospots wird schwerpunktmäßig in Ostdeutschland für die junge Welt geworben.
Für den öffentlich-rechtlichen Sender MDR Jump ist Werbung für die junge Welt allerdings politische Werbung – und deshalb verboten. Mit dieser Begründung lehnte der Sender vier der sechs gebuchten Radiospots ab. Die »Motive sind leider nicht nach der Einschätzung unseres Juristen zulässig, da durch diesen Aussagen im Spot (u.a. ›Zeitung gegen Krieg‹, ›Zeitung gegen Faschismus‹) eine Weltanschauung transportiert wird«, teilte MDR Jump dem Verlag mit. Auf Bitten des Senders hatte der Verlag bereits zuvor einzelne Spots überarbeitet und beanstandete Passagen (unter anderem die Erkennungsmelodie des DDR-Kinderliedes »kleine weiße Friedenstaube« oder den Sprechchor »Nazis raus«) aus diesen herausgeschnitten. Aber auch die überarbeiteten Radiospots wurden abgelehnt. »Die Spots [zielen] auf Erinnerungen ab, die eher weltanschaulicher Herkunft sind«, präzisierte der Sender seine ablehnende Haltung.
Der private Sender Ostseewelle Hit-Radio Mecklenburg-Vorpommern berief sich bei der Ablehnung der bereits gebuchten Radiospots der jungen Welt auf den Rundfunkstaatsvertrag: »Die Werbung stellt aufgrund ihres Inhalts sowie des ideologischen Hintergrunds der Zeitung ›Junge Welt‹, Werbung politischer und weltanschaulicher Art dar, so dass der Sender aufgrund der Regelungen in § 7 Abs. 9 Rundfunkstaatsvertrag gehalten ist, den Auftrag abzulehnen«, teilte uns der Sender mit. Der öffentlich-rechtliche Sender radioeins hingegen sendet im Bereich Berlin-Brandenburg zur Zeit alle von der jungen Welt eingereichten Spots – unbearbeitet.
Der renommierte Staatsrechtler Andreas Fisahn kommt in einer Stellungnahme für junge Welt zu dem Schluss, »dass man sich fragen muss, ob es sich bei der Werbung für eine Zeitung um politische Werbung handelt – wohl nicht. Es wird für ein Produkt geworben, das wie jede andere Ware auch Kunden finden muss.« Andreas Fisahn hält es für »kein mit der Meinungs- und der Pressefreiheit vereinbares Ergebnis, wenn der Hinweis auf politische Probleme, die von einer Zeitung thematisiert werden, von der Werbung ausgeschlossen werden, weil es politische Probleme sind.«
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Lesen Sie Andreas Fisahns Stellungnahme zu diesem Fall. Der Text wird auch in der Mittwochausgabe der Tageszeitung junge Welt erscheinen.