Tageszeitung junge Welt wehrt sich gegen Beobachtung durch Verfassungsschutz. Klage gegen Bundesrepublik Deutschland eingereicht
Berlin. Die Verlag 8. Mai GmbH, in der die überregionale Tageszeitung junge Welt erscheint, hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Dies teilt die Zeitung in ihrer Wochenendausgabe (11./12.9.2021) mit. Klage und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung richten sich gegen die Erwähnung in den jährlichen Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz seit 1998. Verlag und Zeitung werden seitdem, mit wenigen Jahren Unterbrechung, als »linksextremistische Gruppierungen« eingestuft.
Der linke, aber unabhängige Verlag 8. Mai sieht in der geheimdienstlichen Beobachtung und Kriminalisierung ihrer Presseerzeugnisse einen erheblichen Angriff auf ihre Grundrechte, insbesondere auf Pressefreiheit, Berufsfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dies führt zu Einschränkungen im Bereich Marketing (z. B. Werbeboykott), in der Verfügbarkeit der Zeitung (z. B. Sperrung der Webseite jungewelt.de) sowie Auslistungen im Einzelhandel und Behinderungen der redaktionellen Arbeit. Die Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht stellten erhebliche Beeinträchtigungen der redaktionellen Arbeit und im Wettbewerb dar, erklärt Chefredakteur Stefan Huth: Der Verfassungsschutz verletze »in unverantwortlicher Weise das Grundgesetz, indem die Tageszeitung massiv in der Ausübung ihrer demokratischen Rechte behindert« werde, so Huth. »Die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens wollen wir nun feststellen lassen.«
Im März 2021 hatten sich Redaktion und Verlag mit einem offenen Brief an alle Fraktionen im Deutschen Bundestag gewandt. Sie wiesen auf »erhebliche Nachteile im Wettbewerb« hin, die der jungen Welt aus der geheimdienstlichen Nennung erwachsen. Als Reaktion auf den offenen Brief stellte die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 19/28956) an die Bundesregierung, um sich nach den Gründen für dieses Vorgehen zu erkundigen. Das Bundesinnenministerium, für Beobachtung und Nennung der Zeitung und des Verlages im Verfassungsschutzbericht verantwortlich, antwortete im Namen der Bundesregierung. Das Vorgehen gegen die junge Welt wird mit deren weltanschaulichen Orientierung begründet.
In der Klageschrift wird verlangt, dass jede weitere Verbreitung der Verfassungsschutzberichte, in denen diskriminierende Passagen über Verlag und Redaktion enthalten sind, unterlassen wird. Es wird zudem eine Richtigstellung und Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit des bisherigen Vorgehens verlangt. Auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung soll eine weitere Verbreitung bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung unterbunden werden. Prozessbevollmächtigt für den Verlag ist die Rechtsanwältin Anja Heinrich aus Berlin.
In der Wochenendausgabe der jungen Welt (11./12.9.) finden Sie ausführliche Informationen zur eingereichten Klage. Pressevertretern senden wir diese gerne vorab zu.
Berlin, den 10.9.2021, Stand 11 Uhr.