jW-Klage findet Widerhall
Am Freitag, dem 10. September, um 12.19 Uhr wurde der Auftakt zum Gegenschlag verkündet. Über den Nachrichtenticker meldet dpa den Redaktionen der Medienhäuser: »junge Welt klagt gegen Nennung im Verfassungsschutzbericht«. In 31 Zeilen fasst die größte deutsche Nachrichtenagentur zusammen, dass der Verlag 8. Mai GmbH, in dem jW herausgegeben wird, Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht hat. Zuvor hatte die dpa-Redaktion beim Verwaltungsgericht Berlin nachgefragt, ob dem wirklich so ist – das gehört zum journalistischen Handwerk. Etwas umständlich heißt es weiter in der Meldung: »Die 1947 gegründete überregionale Zeitung mit Hauptsitz in Berlin will nach eigenen Angaben erreichen, dass jede weitere Verbreitung der Verfassungsschutzberichte, in denen ›diskriminierende Passagen‹ über den Verlag und Redaktion enthalten sind, unterlassen wird.« Und dpa versäumt es natürlich nicht, das diffamierende Werturteil des Geheimdienstes über jW in dessen letztem Bericht ausführlich zu zitieren. Doch es wird auch darauf aufmerksam gemacht: »Der Verlag sieht darin einen erheblichen Angriff auf die Grundrechte, vor allem die Pressefreiheit, Berufsfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht.« Und auch der Eilantrag über eine einstweilige Verfügung bis zu einem endgültigen Urteil wird erwähnt.
Die junge Welt geht also nun juristisch gegen die seit Ende der 90er Jahre bestehende Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die alljährliche Erwähnung in dessen Bericht vor. Eine Grundsatzentscheidung steht an; wie lange sich dieser Prozess hinziehen wird, ist offen. Die Diskreditierung und Überwachung einer Tageszeitung durch einen Geheimdienst jedenfalls ist in Deutschland und Europa einmalig, auch weltweit sind in bürgerlichen Demokratien Beispiele für derartiges Vorgehen der Staatsmacht gegen die Pressefreiheit schwer zu finden. Was machen nun Journalisten mit dieser Information der dpa? Ignorieren, aufgreifen, selbst dazu recherchieren? Zunächst übernimmt der Deutschlandfunk online noch am Freitag nachmittag die Meldung. Grundlage ist sie auch für einen Einspalter im Feuilletonteil der Printausgabe von ND – Der Tag am Montag (online kam dazu nichts). Mehr Solidarität ist nicht drin, die »Sozialistische Tageszeitung« titelt: »Linke Zeitung wehrt sich gegen Verfassungsschutz«.
Erfreulicherweise gibt es auch Journalisten, denen die dpa-Meldung Anstoß für einen eigenen Beitrag ist. RT DE gehört dazu, der Sender nimmt unseren Konter auf den VS-Angriff zur Grundlage für einen längeren Onlinebeitrag. Bisher am ausführlichsten berichtete die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Medienseite am Dienstag, der Autor ordnet die Klage ein, fragt beim jW-Geschäftsführer nach, lässt Experten zu Wort kommen und erinnert an die Bemerkung Horst Seehofers vom 15. Juni, von dem man wissen wollte, ob man denn Verfassungsfeind sei, wenn man von einer Klassengesellschaft ausgehe. »Dann wäre ich auch ein Verfassungsfeind«, sagte der Innenminister.
Weitere Berichte in inländischen wie internationalen Medien zur Causa jW gegen Bundesrepublik Deutschland werden sicher folgen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!