Grundrechte verteidigen
Kommt es darauf an, ist die »freiheitliche demokratische Grundordnung«, auf die sich die Mächtigen in diesem Land soviel zugute halten, das Papier nicht wert, auf der sie geschrieben steht. In dieser Woche war gleich bei zwei Anlässen zu beobachten, wie elementare Rechte bei Bedarf von der Staatsmacht handstreichartig außer Kraft gesetzt werden, wenn es gerade opportun erscheint.
Am Dienstag stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière gemeinsam mit dem Chef des Inlandsgeheimdienstes, Georg Maaßen, in Berlin den Bundesverfassungsschutzbericht 2016 vor. Wie in den Jahren zuvor wurde junge Welt darin wieder mit einem besonderen Prädikat bedacht und als »das bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus« angeführt. Viel Feind’, viel Ehr’, könnte man da meinen, irgend etwas müssen wir wohl richtig machen. Allerdings hat dieses Behördensiegel auch einen durchaus bedrohlichen Charakter: Gleichsam en passant wird die in Artikel 5 Grundgesetz garantierte Pressefreiheit mit dem vagen Hinweis darauf relativiert, dass »die jW für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein(tritt)« und »sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit (bekennt).« Das darf man in Zeiten, in denen wie gerade in Hamburg eine enthemmte Staatsmacht sich an friedlichen Demonstranten austobt, wohl als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Als Hinweis darauf, dass im Zweifelsfall noch andere Instrumente bereitliegen, um sich dieses unbequemen, unabhängigen und konsequent oppositionellen Blattes zu entledigen. Im Zweifelsfall? Möglicherweise, wenn die Reichweite von junge Welt weiter steigt. Denn als einzige Tageszeitung im deutschsprachigen Raum haben wir keine Einbrüche bei der Auflage zu verzeichnen, sondern kontinuierliche Zuwächse im Verkauf. Das dürfte etwas mit Inhalten zu tun haben.
Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes ließ es sich de Maizière nicht nehmen, mit Blick auf den G-20-Gipfel das Horrorszenario an die Wand zu malen, für dessen Realisierung seine Beamten am Freitag in der Hansestadt so schlagkräftig gesorgt haben. Auch in Hamburg wurden Grundrechte systematisch ausgehebelt, vom Recht auf Versammlungsfreiheit bis hin zu dem auf körperliche Unversehrtheit.
Und auch hier kam die vielgerühmte Pressefreiheit immer wieder unter die Räder. So wurden akkreditierte jW-Journalisten vom offiziellen Medienzentrum beim G-20-Gipfel ausgeschlossen. Als Willi Effenberger und Björn Kietzmann, die jW mit Fotos von den Protesten gegen den Gipfel beliefern, am Freitag das Messegelände betraten, zogen Beamte des Bundeskriminalamtes ihre Akkreditierungspapiere ein. Mindestens drei weitere Pressevertreter, die ebenfalls für uns arbeiten, waren gleichfalls betroffen – eine drastische Einschränkung unserer Arbeitsbedingungen. Aber Hamburg ist ja nicht Moskau …
Das alles hält uns nicht davon ab, weiterhin kritisch und basisnah zu berichten – und bei allem antikapitalistischen Engagement bürgerliche Freiheitsrechte gegen deren Gegner zu verteidigen. Wie bei früheren Protesten gegen Großveranstaltungen der Herrschenden – Stichwort Heiligendamm 2007, Stichwort Elmau 2015 – ist jW nicht nur mit Berichterstattern, sondern auch mit zahlreichen Unterstützern vor Ort, die die Zeitung mit großem Einsatz und ehrenamtlich unter die widerständigen Massen bringen. Vielleicht haben auch Sie ein Exemplar auf diesem Wege erhalten. Sind Sie neugierig geworden? Dann lernen Sie uns besser kennen – am Kiosk, im kostenlosen dreiwöchigen Probe- oder im dreimonatigen Aktionsabo. Wir schreiben täglich an gegen kapitalistische Globalisierung und Krieg. Auf einen heißen Sommer des Widerstands!
Verlag, Redaktion und Genossenschaft
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!