Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Sommer des Widerstands

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Literatur

  • Das weibliche Lateinamerika

    Ein Sammelband mit Porträts von 40 außergewöhnlichen Frauen
    Jana Frielinghaus
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    Es sind Lebensgeschichten wie die von Domitila Barrios de Chúngara aus Bolivien oder die von Vera Grabe, Exguerillera aus Kolumbien mit deutschen Wurzeln, die in dem Sammelband über 40 »außergewöhnliche Frauen aus Lateinamerika« aus Geschichte und Gegenwart berühren. Domitila Barrios (1937–2012) wurde als Galionsfigur und Präsidentin der »Hausfrauenkomitees« auch in Europa bekannt. Die Komitees unterstützten mit großem Kampfgeist die Minenarbeiter ihres Landes in ihrem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Aktivistinnen durften lange Zeit trotzdem nicht Gewerkschaftsmitglieder werden. Barrios wurde 1975 zur ersten UN-Weltfrauenkonferenz nach Mexiko-Stadt eingeladen, um über die Lage der Frauen in ihrem Heimatland zu reden. Es folgten viele weitere internationale Aktivitäten – für die Ehemann und Familie letztlich nur sehr begrenzt Verständnis hatten. Die Schwierigkeiten, sich gegen den herrschenden Machismo und die allgegenwärtige Abwertung von Frauen durchzusetzen, werden auch in vielen anderen Biogra­phien des Bandes deutlich.

    Weitere Porträts sind Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú aus Guatemala, der deutsch-argentinischen Kundschafterin und Guerillera Tamara Bunke, der großen chilenischen Dichterin Gabriela Mistral, der Sängerin Mercedes Sosa (Argentinien), der Malerin Frida Kahlo (Mexiko) und Popstar Shakira gewidmet.

    Unter dem Stichwort »mächtig« werden sowohl fortschrittliche Politikerinnen wie Brasiliens im Mai 2016 aus dem Amt geputschte Präsidentin Dilma Rousseff als auch die Verlegerin Violeta Barrios de Chamorro, »­erste vom Volk direkt gewählte Präsidentin« (1990–1997), und Polit­sternchen wie die venezolanische »Miss Uni­verse« Irene Sáez.

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    Eine der vierzig außergewöhnlichen Frauen aus Lateinamerika: Malerin Frida Kahlo

    Aus den informativen und gut geschrieben Porträts lässt sich viel lernen, zu jedem gibt es weiterführende Leseempfehlungen. Und auch Frauen, die hierzulande von der Mainstreampresse sofort als Terroristinnen abgeurteilt würden, weil sie zeitweilig mit der Waffe in der Hand gegen Diktaturen kämpften, werden mit viel Empathie porträtiert.

    Jetzt das junge Welt-Sommerabo bestellen: Drei Monate jW für 62 Euro (statt 110,20 Euro, Abo endet automatisch): www.jungewelt.de/aktionsabo

  • Rekolonisierung eines Subkontinents

    Gerhard Klas: Indische Stimmen gegen die Globalisierung
    Georg Hoppe
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    Globalisierung in Indien: Für Teile einer Mittelschicht bedeutet sie Arbeitsplätze bei Software- oder Softdrinkfimen. Für Unternehmer aus den USA oder der EU bedeutet sie Absatzmärkte für Konsum­artikel und »komparative Kostenvorteile«. Neoliberale Think-Tanks behaupten, für die Armen bedeute sie eine Verbesserung ihrer Situation durch den »Trickle-down-Effekt«, das Durchsickern des neuen Wohlstands von oben nach unten.

    Für die Mehrheit der Bevölkerung bringt sie aber etwas anderes, nämlich schlechtere Arbeitsbedingungen und kaum einlösbare Konsumversprechen in der Stadt. Auf dem Land geht sie mit der Zerstörung der Umwelt einher und damit der Lebensgrundlage, der Auflösung traditioneller Sicherungsstrukturen und der Abhängigkeit von Saatgutkonzernen. Verschuldung und Verzweiflung treiben die Menschen dort in den Suizid – oft durch Schlucken eben jener Pestizide, die für die patentierten Feldfrüchte benötigt werden.

    »Die wirtschaftliche Globalisierung bezeichnen wir in Indien als einen Prozess, der auf die wirtschaftliche Rekolonisierung der Entwicklungsländer abzielt (...)«. So bringt es Sitaram Yechuri von der Communist Party of India (Marxist) auf den Punkt. Er ist einer derjenigen, die in dem Band »Zwischen Verzweiflung und Widerstand. Indische Stimmen gegen die Globalisierung« zu Wort kommt. Der Journalist Gerhard Klas interviewt darin Aktivistinnen und Aktivisten aus Basisorganisationen, Gewerkschaften und linken Parteien. Ihre Mittel sind dörfliche Selbstorganisation (oft von und für Frauen und Dalits, sogenannte Unberührbare), Streik, Regierungspolitik (im südindischen Bundesstaat Kerala regiert die Kommunistische Partei) und bewaffneter Kampf.

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    Demonstration von Unterstützern der KP Indiens (Marxist) in Kolkatta (27.12.2015)

    Klas schafft es, den Einblick in das Leben der Fischer von Valiathura und der Bauern von Dasru Thanda mit dem analytischen Blick auf das Ganze zu verbinden. Es entsteht das Gesamtbild einer umkämpften Gesellschaft, deren Zukunft offen ist. Die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich in dem Band äußern, geben Hoffnung, dass diese Zukunft eine gerechtere sein wird. Nicht nur in Indien.

    Sommer des Widerstands – 3 Monate jW für 62 Euro (statt 110,20 Euro). Jetzt das Aktionsabo bestellen! www.jungewelt.de/aktionsabo

  • Erlesene Stadtstreicher

    Léo Malet: Die Sonne scheint nicht für uns
    Anselm Lenz
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    Es gibt diese unfassbaren Schriftstellergeschichten. Viele davon finden sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in Frankreich vornehmlich, etliche in Russland, den beiden großen Ländern des Romans. Léo Malet war mit den Surrealisten unterwegs, schrieb unter Dutzenden Pseudonymen, trat im Varieté auf, dödelte mit André Breton, Jacques Prévert und seinem Ziehvater, dem Redakteur André Colomer, in Paris herum. Malet, der ohne Eltern aufwuchs, hatte sich als Clochard durchgeschlagen, arbeitete aber auch auf Baustellen und als Bankangestellter – und einmal als Ghostwriter eines Erpressers. 1940 geriet Malet in deutsche Kriegsgefangenschaft.

    Einer seiner eindrücklichsten und gewitztesten Kriminalromane ist »Die Sonne scheint nicht für uns«, mit dem er das Milieu der jungen Vagabunden, Stadtstreicher und Obdachlosen im Paris der 20er Jahre zeigt. Die Sprache ist – dank der sauguten Übersetzung von Andrea Jossen – ein Feuerwerk des neckischen, anarchistischen Witzes derer, die in den Nischen der bürgerlichen Gesellschaft ein Dasein fristen müssen.

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    Clochard in Paris, 1898 (Foto von Eugène Atget)

    Die Reise durch diesen spezifischen Underground führt in eine »geheime, verbotene Stadt« im 13. Arrondissement, wo der 16jährige André, die Hauptfigur, im Elendsviertel Gina kennenlernt, die die Affäre mit ihrem älteren Bruder André zuliebe beendet. Malet verklärt die Schattenkinder der Verelendeten nicht; es sind keine Verlierer »von Natur aus«. Sondern Hochbegabte, für die die Sonne einfach immer wie gebraucht scheint: »Wir müssen nehmen, was von den anderen übrig bleibt. Diese Sonne hat schon anderswo gedient.«
    Vom wohlstandsverwahrlosten Standpunkt neoliberal-akademischer »Awareness«-Moral aus darf mensch Malet allerdings heute nicht lesen: Antirassismus, Feminismus und Klassenbewusstsein sind bei diesem Schriftsteller keine Fragen der Sprachpolitik. Es geht um das Leben und Sterben des Subproletariats: André wird schließlich eines Verbrechens angeklagt und könnte zum jüngsten Geköpften Frankreichs werden.

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  • Indigene Guerilla

    Paco Ignacio Taibo II: Die Yaqui
    Gerd Bedszent
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    Geht es in dieser historischen Dokumentation tatsächlich um Genozid? Auch, aber in erst Linie beschreibt der mexikanische Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II, der für seine Krimis und Biographien über Che Guevara und Pancho Villa bekannt ist, die kriminelle Enteignung einer Volksgruppe: der Yaqui aus dem mexikanischen Bundesstaat Sonora.

    Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie einfach nur eine von vielen indigenen Minderheiten in Mexiko, hatten sich willig christianisieren lassen, bearbeiteten gemeinsam das Land und lebten in ihren acht Dörfern »im wesentlichen kommunistisch«. Soll heißen: Sie kannten kein Privateigentum, keine Sklaverei, keine Knechtschaft, keine Lohnarbeit, alles gehörte allen. Ihr gemeinsamer Landbesitz weckte jedoch die Gier von Großgrundbesitzern, die sie enteignen wollten. Die Dörfer wehrten sich und gingen zu einem Guerillakrieg über. Das Militär begann daraufhin mit ihrer systematischen Auslöschung. Und da die Soldaten die Yaqui nicht von den Nachbarstämmen unterscheiden konnten, traf dies auch andere indigene Ethnien im Norden Mexikos.

    Der größte Teil des Buches umfasst eine nur schwer zu ertragende Auflistung von Massakern an Frauen und Kindern, standrechtlichen Erschießungen, Lagerhaft, Zwangsdeportationen, kollektiven Selbstmorden und sonstigen Greueltaten. Die meisten Yaqui mussten ihr Festhalten am kollektiven Eigentum und den Widerstand gegen die Enteignung mit dem Leben bezahlen. Bis 1909, als der Vernichtungskrieg offiziell beendet wurde, wurden sie von etwa 30.000 auf knapp 7.000 dezimiert. Von diesen letzten Yaqui lebte die Mehrheit außerhalb des eigenen Territoriums. Sie waren entweder über die nahe Grenze in die USA geflüchtet oder mussten auf agrarkapitalistischen Plantagen im Süden Mexikos Sklavenarbeit leisten.

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    Eine Gruppe gefangener Yaqui mit ihren Bewachern, Guaymas, Mexiko, um 1910

    1909 endete zwar offiziell der Vernichtungskrieg gegen die Yaqui, nicht aber ihr Widerstand. 1911 begann die Mexikanische Revolution: Yaqui-Abteilungen kämpften nun in den Reihen von Pancho Villas Rebellenarmee gegen die Militärs. Erst 1937 wurde dann den letzten Überlebenden etwa ein Fünftel des Stammeslandes zurückgegeben.

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  • Zur Lüge gezwungen

    Shumona Sinha: Erschlagt die Armen!
    Johannes Supe
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    Asylbewerber lügen. Sie erzählen zusammengeschusterte Geschichten. Ihre Storys ähneln einander, denn es sind nicht »ihre«, sondern nur die, die ihnen auf die Reise mitgegeben wurden – von Schleppern. Klingt eine Erzählung glaubhaft, ist das dem Schauspieltalent des Vortragenden geschuldet. Spricht einer wahrhaft, ist das eine Sensation. So zumindest steht es in Shumona Sinhas Roman »Erschlagt die Armen!«.

    Der namenlosen Protagonistin des Buches ist es gelungen, sich ein Leben in Frankreich aufzubauen. Für die Behörden arbeitet sie nun als Dolmetscherin, vermittelt also zwischen Beamten und Asylbewerbern. Doch die Arbeit reibt sie mehr und mehr auf: Die Schutzsuchenden geben sich als politisch Verfolgte aus, als Parteisprecher, als bedrängte Christen, als sexuell missbrauchte Frauen. Doch ihre Geschichten halten den Nachfragen nie stand. Die Dolmetscherin selbst wird stetig bedrängt – von den Vertretern des Staates wie auch von den Flüchtlingen und ihren Anwälten. Der Roman stellt uns die Protagonistin in einer für sie ungewohnten Situation vor: Sie wird verhört. Nachdem ihr ein Mann zu nahe rückte, schlug sie mit einer Weinflasche in der Hand zu …

    »Erschlagt die Armen!« lässt den Leser nachdenklich zurück. Eindeutig ist der Roman in einem Punkt: Das bestehende Asylsystem befördert Heuchelei und, in der Konsequenz, Verzweiflung und Gewalt. Die Menschen in dem Buch sind Lügende aus Not: Sie fliehen vor Elend und Hoffnungslosigkeit. Doch um in einem anderen Land aufgenommen zu werden, genügt es es nicht, vom Hunger bedroht zu sein. Und so werden sie in ihren Darstellungen von Armen zu Verfolgten.

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    Shumona Sinhas Buch erschien 2011 in Frankreich, vier Jahre später dann auf Deutsch. Keiner der beschriebenen Geflüchteten stammt aus Syrien oder anderen Ländern des Nahen Ostens, keiner floh vor Krieg. Das macht es schwierig, die geschilderten Situationen auf die Gegenwart in der BRD übertragen. Doch es ist zu vermuten, dass sich in deutschen Amtsstuben ähnliche Szenen abspielen dürften, wie Sinha sie beschrieben hat – gerade wenn Menschen aus jenen Ländern um Aufnahme bitten, die nicht im Fokus der Presseberichterstattung sind.

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  • Reise ans Ende der Nacht

    Jérôme Leroy: Der Block
    Anselm Lenz
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    Der rechte Block fischt im Frankreich der Gegenwart erfolgreich nach Jüngern, um seine Regierungsübernahme vorzubereiten. Frankreich ist am Ende, ein ständiger Ticker im TV zeigt die Opferzahlen der aufbrechenden Konflikte im Land. »Diese Generation war in einer virtuellen Welt groß geworden, mit der Angst vor AIDS, vor Fremden, vor Arbeitslosigkeit, vor sozialer Unsicherheit, inmitten skandalöser Verarmung in den Einfamilienhausgebieten.«

    Für die Schergen um Stanko sind die bürgerkriegsähnlichen Zustände wie ein Biotop. Er steht einer Gruppe vor, die als eine der härtesten Schläger- und Mörderbanden im Umfeld der ultrakonservativen Partei Frankreichs den Rücken freihält und Nachwuchs rekrutiert. Irritierend für Stanko, dass sich immer öfter Algerier bei ihm für seinen neofaschistischen Trupp melden, aber zeitweise »brauchbar«.

    »Du liebtest das Testosteron, das förmlich in der Luft lag, (...) das spürte man, wie sie darauf brannten zu kämpfen, ihre Sehnsucht nach Gewalt« – auch der Parteifunktionär Antoine Maynard liebt die Brutalität. Maynard begegnet dem Leser als abgefallenes Bürgersöhnchen, das am Lycée, dem französischen Gymnasium, zum Fan präfaschistischer Literatur und in der Gegenwart Parteifunktionär und Ehemann der neuen Vorsitzenden des Front National ist.

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    Mit der Entwicklung dieser beiden Freunde Stanko und Maynard, der eine wird selbst zum Verfolgten, der andere zum staatstragenden Politkader, zeichnet der Autor vier Jahrzehnte einer Entwicklung des rechten Milieus in Frankreich nach. Eine Gärungszeit in den Dekaden der Neoliberalen Epoche, als deren Ergebnis sich in der Gegenwart längst jener vorgorene, düstere Wein in die Straßen der »Grande ­Nation« ergießt.

    Die »klassischen antifaschistischen Denkmuster allein genügen nicht mehr«, schreibt der Autor im Nachwort; denn in diesem Roman gibts was zu lernen, auch über das Versagen der Linken und insbesondere der Linksbürgerlichen. Leroy hat uns mehr zu erzählen als Didier Eribon – und ist mit kriminalistischer Präzision unterhaltsam. In verständlicher Sprache und nachvollziehbaren Figuren überzeichnet Leroy das Bild der Fünften Republik, wo sie sozialpsychologisch und ökonomisch derzeit ist: Nah am Abgrund.

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  • NATO, RAF und Pflaumen im Korb

    Franz Josef Degenhardt: Brandstellen
    Christof Meueler
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    Wenn die Lieder nicht gereicht haben, hat der 2011 verstorbene Liedermacher Franz Josef Degenhardt Romane geschrieben. Insgesamt acht Stück. »Brandstellen« ist sein zweiter Roman von 1975. Es geht um die Protestszene in den Siebzigern vor der Erfindung der alles und jeden beruhigenden Grünen. Die Hauptfigur Bruno Kappel fasst die »Stimmung der Saison« im postfaschistischen Westdeutschland unter Helmut Schmidt zusammen: »Neopragmatismus: das Machbare machen und das Nötige notfalls mit Mafia-Mitteln, im übrigen halbrechts und abwarten.« SPD, wie sie leibt und lebt. Kann man es besser sagen? Kann man, der ultimative Antisozihit heißt immer noch »Verteidigung eines alten Sozialdemokraten«, stammt aus dem Jahr 1968 – und von Degenhardt.

    Der war gelernter Rechtsanwalt und zeichnet Kappel als arroganten linksliberalen Anwalt, voller Zynismus und Sexismus im BMW, der kathartische Momente erlebt, als er seinen Geburtsort besucht. Er sucht seine frühere Freundin, die nun bei der RAF ist, verliebt sich aber in eine junge Frau, eine fast schon heilige Kommunistin, die auch noch Maria heißt und Kappel wieder auf die Füße stellt. Er wirkt ein bisschen wie einer dieser fertigen Privatdetektive der »Schwarzen Serie«, nur dass er im Ruhrgebietskaff die Wirkmächtigkeit linker Strategien untersucht.

    Vor Ort soll ein NATO-Truppenübungsplatz gebaut werden. Hierfür muss ein Campingplatz weichen, was eines dieser berühmten breiten Bündnisse aus SPD, DKP, Gewerkschaften und Jugendgruppen verhindern will. Es wird viel diskutiert. Zudem liefert Degenhardt essayistische Skizzen von Boheme und Bourgeoisie, denen er eine proletarische Gemütlichkeit entgegenstellt. Er verwahrt sich gegen den Hass auf »das gemeine Volk«, hinter dem sich meist Autoritarismus versteckt. Bei Degenhardt geht es um helle Kneipen und dunkle Kneipen, um Entspannung draußen auf dem Land vor einem »Spankorb voll Pflaumen«. Es wird auch gerne schwimmen gegangen. Und neben der ganzen Lebenspracht thematisiert er die in dieser Gesellschaft stets verleugneten Klassenstrukturen, immer wieder.

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