Leserbrief zum Artikel Ältestenrat des Bundestags will Fall Hinz beraten
vom 08.08.2016:
Pranger für Pazifistin?
Irgendwann vor vielen Jahren hat Petra Hinz (54) einen großen Fehler gemacht und sich eine geschönte Biographie gebastelt, ein Abitur und Examen erfunden. Sie kam 2005 als Essener SPD-Kandidatin in den Bundestag, und elf Jahre danach flog der Schwindel auf. Es setzte eine gewaltige Hetze gegen sie ein. Und die Medien gebärdeten sich, als wäre sie durch Wahlbetrug in den Bundestag gelangt. Warum dies und warum nur gegen sie? Es wäre doch auch denkbar, daran zu erinnern, dass wir eine Doktorarbeitsfälscherin als bundesdeutsche Botschafterin beim Vatikan haben. Und sollten die Zeitungen nicht mal über die Bemühungen der CSU um Reaktivierung des Plagiators von und zu Guttenberg berichten? Sinnvoll wäre es auch, darüber zu schreiben, wie viele Fragebogenfälscher aus den Entnazifizierungsverfahren wieder in der BRD ganz groß rausgekommen sind. Kann es sein, dass gegen Petra Hinz die volle Strenge angewendet wird, weil sie nie für Kriegseinsätze gestimmt hat? Petra Hinz sollte sich bei den Wählerinnen und Wählern entschuldigen, aber ansonsten auf dem Posten bleiben. Sie ist die einzige SPD-Politikerin in NRW, die sich am Protest gegen die Vorbereitungen der Bundeswehr für Kampfdrohnenkriege und die Einsätze an der russischen Grenze von NRW aus beteiligt hat. (...)
Übrigens: Gerade in Essen lohnt es sich, Vergangenheitsbewältigung nicht nur zu 1933 bis 1945 zu betreiben, sondern auch danach. Man beachte die Vita des Essener Bundestagsabgeordneten Ernst Achenbach (FDP-Politiker und Nazi-Diplomat) (...). Hat dieser Herr Achenbach im Handbuch des Bundestages seine berufliche Tätigkeit für Krupp in Essen als Verwalter der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft erwähnt, seine Tätigkeit als Diplomat in Frankreich, als er im Krieg Tausende Juden aus Frankreich in die Vernichtungslager oder zur Zwangsarbeit deportieren ließ? Das Handbuch des Bundestages ist ein böses Märchenbuch, und nur bei bestimmten Leuten kommt es raus. Auch bei Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) kam es lange nicht raus, dem Mann des Goebbels-Propagandaministeriums im Auswärtigen Amt, und zwar beim Auslandsrundfunk. Oder bei dem Mitverantwortlichen für den Tod von Anne Frank, Dr. Hermann Conring, einst »Bevollmächtigter des Reichskommissars für die besetzten Niederlande«.
Übrigens: Gerade in Essen lohnt es sich, Vergangenheitsbewältigung nicht nur zu 1933 bis 1945 zu betreiben, sondern auch danach. Man beachte die Vita des Essener Bundestagsabgeordneten Ernst Achenbach (FDP-Politiker und Nazi-Diplomat) (...). Hat dieser Herr Achenbach im Handbuch des Bundestages seine berufliche Tätigkeit für Krupp in Essen als Verwalter der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft erwähnt, seine Tätigkeit als Diplomat in Frankreich, als er im Krieg Tausende Juden aus Frankreich in die Vernichtungslager oder zur Zwangsarbeit deportieren ließ? Das Handbuch des Bundestages ist ein böses Märchenbuch, und nur bei bestimmten Leuten kommt es raus. Auch bei Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) kam es lange nicht raus, dem Mann des Goebbels-Propagandaministeriums im Auswärtigen Amt, und zwar beim Auslandsrundfunk. Oder bei dem Mitverantwortlichen für den Tod von Anne Frank, Dr. Hermann Conring, einst »Bevollmächtigter des Reichskommissars für die besetzten Niederlande«.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 18.08.2016.