Leserbrief zum Artikel Kontroverser Jahresauftakt der Linksfraktion
vom 15.01.2018:
Linke am Scheideweg
Beim Jahresauftakt der Bundestagsfraktion (…) ernteten Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine für ihre Idee einer linken Sammlungsbewegung großen Jubel (…). Es gibt positive Beispiele: In Frankreich war die Linke immer dann stark und machtvoll, wenn sie zusammenstand. Die britische Labour Party mit Corbyn hat gezeigt, zu welchen Erfolgen eine glaubwürdige linke Opposition gegen den herrschenden Neoliberalismus in der Lage ist – und die US-Demokraten hätten es mit Sanders zeigen können. Klar ist allerdings auch: Ob es in Deutschland endlich zu einer sozialen und friedenspolitischen Wende gegen die herrschende Politik kommt, hängt nicht nur von der Partei Die Linke ab, sondern auch von dem Mut und der Entschlossenheit vieler anderer gesellschaftlicher Kräfte: den Gewerkschaften, den außerparlamentarischen sozialen Bewegungen, den Kirchen und nicht zuletzt der Sozialdemokratie. Vor allem letztere muss wissen, ob sie eher den Weg der holländischen Partij van de Arbeid gehen möchte, die heute bei 5,7 Prozent steht, oder den der wiedererstarkten britischen Labour-Partei. (…) Die Linke muss sich jetzt als Partei klar dafür entscheiden, nicht im eigenen Saft schmoren zu wollen und sich nicht auf hippe urbane Nebenkriegsschauplätze zu beschränken. Sie muss vielmehr bereit sein, die Machtfrage zu stellen – und die ist im Kapitalismus identisch mit der Eigentumsfrage und der Bereitschaft zur Konfrontation mit den Interessen der großen und mächtigen Geldanhäufer.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.01.2018.