Leserbrief zum Artikel Essener Tafel behält Aufnahmestopp bei
vom 28.02.2018:
Der wahre Skandal
Der Skandal ist doch nicht, dass die Essener Tafel keine »Ausländer« mehr aufnimmt, von denen ein Teil sich wohl schlecht bei der Ausgabe benommen hat, oder zuwenig für Seniorinnen und Senioren übrigbleibt. Der Skandal ist, dass solche Einrichtungen von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung inklusive der Politiker über alle Parteigrenzen hinweg als normal hingenommen werden. In einem Land, wo zur selben Zeit darüber berichtet und spekuliert wird, wie eine Familie Quandt ihr unfassbares Vermögen neu aufteilen wird. Ein milliardenschweres Vermögen, das über Generationen nur noch verwaltet und vererbt wird und zum Teil wohl aus dubioser Herkunft stammt. In einem Land, wo ein Drittel der Lebensmittel ungenutzt entsorgt wird. In einem Land wo Supermarktkonzerne gegen Menschen klagten, da diese sich an den Mülltonnen mit abgelaufenen Lebensmitteln bedienten. Ein Land, wo immer nur dann mit Obdachlosen, ALG-II-Beziehern, prekär Beschäftigten und Senioren mit Minirente sich solidarisiert wird, wenn man nach dem Flüchtling oder Migranten treten kann. Was Steuergerechtigkeit, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit angeht, da sind sich alle selbst die Nächsten. Dann wählt man durch die Angstmache der Politik vor dem eigenen Abstieg als Bürger wirtschaftsliberale Parteien, die Politik für Vermögende und Konzerne machen. Sonderbare Einstellung!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.03.2018.