Leserbrief zum Artikel EU will im Streit um »Brexit« nicht nachgeben
vom 31.01.2019:
Recht des Stärkeren
Der Hauptgrund für den »Brexit« lag bestimmt nicht in der Migration oder in den Fischfangquoten entlang der englischen Küste. Vielmehr haben sich die Regierenden gefragt, ob England noch eine Großmacht ist oder nur noch ein Gehilfe Deutschlands in der EU. Die einzige Bitte des inzwischen zermürbten englischen Unterhauses angesichts des ausgehandelten EU-Austrittsvertrags, ob die Regelungen zur irischen Grenze noch einmal nachverhandelt werden könnten, stieß prompt auf die EU-Antwort: nein! Dabei könnte die EU dieses nur für die Iren wichtige Problem leicht durch Entgegenkommen lösen. Aber hier musste unmissverständlich gezeigt werden, wie die Machtverhältnisse in der EU verteilt sind. Das gefeierte Militarisierungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich zementiert ebenfalls den Vorrang des Rechts der Großen vor dem Recht der Schwachen in der EU. Nach dem neuen Abstimmungsverhältnis in der EU seit dem Brexit-Referendum (…) können sich die kleinen EU-Staaten gegenüber Deutschland und Frankreich nie mehr durchsetzen. Somit haben die kleinen EU-Staaten nur die Verpflichtung, die festgelegten jährlichen Mittel für die EU-Militarisierung, Soldaten und Personal für die EU-Einsätze zur Sicherung des bestehenden Systems, unabhängig von bestehenden Gesellschaftskrisen, zur Verfügung zu stellen, sonst nichts. Das Verhältnis zwischen Herrschenden und Vasallen in der EU darf nicht in Frage gestellt werden. Auch in der Frage der Versorgung mit dem billigen, russischen Gas in der EU stehen die Weichen auf dem gleichen Fundament. Der deutsche Außenminister Heiko Maas antwortet auf die Forderungen aus Washington zur Einstellung der Arbeiten an »Nord Stream 2«, dass Deutschland über seine Energiepolitik selbst zu bestimmen hat. Der Vorsitzende des Ostausschusses, Herr Büchele, ergänzt, dass es sich dabei um »unsere Selbstachtung und Souveränität« handele. Außerdem verschafft »Nord Stream 2« Deutschland eine mächtige Stellung als Verteilzentrale in der EU, was zu erheblichen Einnahmen führt. Absolut richtig. Die Frage ist nur, warum dasselbe nicht auch für die kleineren Staaten in Südosteuropa gilt, die auf solche Perspektiven vor ca. drei Jahren aufgrund von Forderungen seitens der EU und der USA verzichten und die geplante Versorgung mit russischem Gas über eine geplante »Süd Stream Pipeline« trotz ihrer wirtschaftlichen Notlage gegen eigene Interessen aufgeben mussten. Daraus kann man nur eines schließen: Das Recht des Stärkeren ist nicht das Recht des Schwächeren in der EU von heute.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 05.02.2019.