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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Gutachten: »Soli« komplett abschaffen vom 31.08.2019:

Über Steuern demokratisch entscheiden

Steuern, Soli, Sozialversicherungsbeiträge: historisch »gewachsene« Unterschiede – oder doch eher verschiedene Ausdrucksformen eines einheitlichen Sachverhalts, der mit deutscher Überkompliziertheit irgendwie detailgeregelt ist? Erich Kästner empfahl freilich, Gordische Knoten nicht zu zerhacken wie Alexander der Große, sondern so sorgfältig aufzudröseln, wie sie geknüpft wurden. Und doch wird jeder empirische Sozialwissenschaftler »Steuern und Abgaben« zu einer Größe zusammenfassen; ja selbst jeder rationale Betriebswirt (was unterhalb der Makroebene kein Oxymoron bedeuten muss) wird das »Unternehmerbrutto« als Arbeitnehmernetto plus Steuern und Sozialabgaben berechnen. Und Steuern und Rentenversicherungsbeiträge verhielten sich ohnehin seit Jahrzehnten wie kommunizierende Röhren (wenn auch nicht immer so heftig wie bei Kohls Plünderung der Rentenkassen unter Blüms beifälligem Grinsen). – Ohne für sophistische Spitzfindigkeiten kompetent zu sein und selbstverständlich ohne am Grundgesetz rütteln zu wollen (!), halte ich die einheitlichere Betrachtung für logischer, aber auch perspektivisch für zielführender. Das gilt in zweiter Linie auch fürs Rentenwesen, das bekanntlich in Dänemark und den Niederlanden – wenn auch auf zu niedrigem Niveau – steuerfinanziert ist. Das gilt in erster Linie auch für den Soli, der doch allein deswegen nicht »Steuer« heißt, weil Kohl bei Einführung gerade vom Juniorpartner FDP abhing, deren spätpubertäre Träumer vom steuerfreien Milliardärsschlaraffenland jegliche Steuer in ähnlichem Maße verachteten wie zum Beispiel ich die FDP. Warum also nicht jede Steuer auch Steuer nennen, einschließlich des Soli und in zweiter Linie auch einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge – und dann eben, wie es sich in einer – de facto – Demokratie schicken würde, politisch darüber entscheiden, welche Leistungen (z. B. für Arme einschließlich der Älteren, aber auch für Menschen und Infrastruktur in strukturschwachen Regionen) dann, bitteschön, wieder wachsen – und welche anderen (z. B. für »Verteidigung«, aber auch für überzogenen Straßenbau) besser schrumpfen?
Bernhard May, Solingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 10.09.2019.