Kausalkette eines Schicksalstages
Als die »oben« nicht mehr wie bisher regieren konnten und die »unten« so wie bisher nicht mehr regiert werden wollten, kam es zum »ersten« Schicksalstag »9. November«. Das war 1918. In dem durch Krieg, Hunger und Krise ausgebluteten Deutschland hatte der Kaiser abgedankt, und der Sozialdemokrat Scheidemann rief die »Deutsche Republik« aus. Als Menetekel für die Uneinigkeit der »nicht mehr Wollenden« erscheint der Umstand, dass der Spartakusführer Liebknecht am gleichen Tag die »Freie Sozialistische Republik« proklamierte. Die Revolution endete zwei Monate später im Blut der glücklosen Revolutionäre. Was blieb, war eine kraftlose parlamentarisch-demokratische »Weimarer Republik«. Das war der Boden für die deutschen politischen Reaktionäre, Teile der Großindustrie, für den geschwächten Hochadel, für den konservativen Klerus, die Errichtung eines nationalistischen Diktatorenregimes zu anzugehen. Die Gallionsfigur und ihre Palatine standen bereit, Adolf Hitler und Konsorten. Es kam der »zweite« 9. November – 1923, der Tag des »Bürgerbräu-Putsches« in München. Vorerst misslang der »Marsch auf Berlin«. Ihr Ziel erreichten die Nationalsozialisten und ihre Hintermänner durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933. Der Weg in Nazismus und Krieg war frei! Die Hauptgegner, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten, waren den mörderischen Drangsalen ihrer Feinde ausgesetzt. Aber das Ganze musste noch unter eine eingängige populistische Schlagzeile, »Kampf gegen den jüdischen Weltbolschewismus«. Damit war der Kurs gewiesen zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Offiziell »völkisch« in Szene gesetzt am »dritten« 9. November – 1938. In der »Kristallnacht« begann die Eliminierung und schließlich die physische Vernichtung der jüdischen Menschen. Bald wurde der Weltbrand gegen Juden und Bolschewisten vom Zaun gebrochen. »Lebenraum« für Deutsche, so der demagogische Untertitel. Das größte Verbrechen aller Zeiten begann. Es kostete 50 Millionen Menschenleben. Als die Verbrecher auch durch den unermesslichen Blutzoll der Sowjetmenschen vernichtet waren, entstand im Osten Deutschlands ein Regime, dessen Träger der Schwur einte: »So etwas nie wieder, lieber wollen wir bis an unser Lebensende trocken Brot essen.« Sie errichteten das kleine »neue« Deutschland, auch weil die andere Seite nach dem Spruch handelte: »Lieber ein halbes Deutschland ganz als ein ganzes Deutschland halb.« Damit tragen sie Verantwortung für die Spaltung Deutschlands, wie 1918, als man sich auf eine Deutsche Republik nicht verständigen konnte. 40 Jahre war das »kleine Deutschland« das schwächere Deutschland. Seine Verantwortlichen meinten deshalb, sich »einmauern« zu müssen in ihre feste »sozialistische Burg«. Dabei standen sie im Einklang mit ihren mächtigen Verbündeten. Die Sache ging nicht gut! Wieder war ein Zeitpunkt, dass »die oben« nicht mehr konnten und »die unten« nicht mehr wollten. Es kam der »vierte« 9. November, 1989. Die »Festungsmauer« fiel! Sie konnte ohne Blutvergießen fallen, weil ihre Belagerer keine Waffen mitbrachten, die Verteidiger ihre Waffen in den Arsenalen verschlossen hatten und das »Burgtor« öffneten!
Norbert Staffa, Großolbersdorf