Leserbrief zum Artikel Sachsen: Maßnahmen gegen »Linksextreme«
vom 09.11.2019:
Am Image arbeiten
Nach welchem Image streben wir besonders in Sachsen, Dresden, Heidenau bis Plauen, Chemnitz, Görlitz usw.? Wenn wir in Straßengesprächen oder bei zufälligen Begegnungen die Frage stellen, woher der braune Sumpf denn komme, wie Naziumtriebe erklärbar seien und unter »Pegida« nicht nur besorgte, ängstliche Bürger hörbar sind, dann wird uns oft sofort lautstark und empört an Kopf und Or geschmettert: »Wir sind keine Nazis!« Keiner hat es je jedem unterstellt. Warum die Reaktion auf einfache, ruhig gestellt Frage mit Bitte um Erklärung? Die Meinungsfreiheit ist bei einer solchen Frage gleich schnell zu Ende, bevor wir auch noch fragen könnten, woher der unbändige Hass auf, die Hetze gegen und Diffamierung von Menschen kommen, die nicht deutsch sind, eine andere Religion, Herkunft, Schicksale haben oder auch auf der Flucht aus ihrer Heimat sind. In der Stadt Heidenau am Rande Dresdens läuft eine Bürgerpetition über die Umbenennung einer noch existierenden Ernst-Thälmann-Straße. Sagt solches Ansinnen beim aktuellen Geschehen im Lande zum Image der Region gar nichts aus? Nach dem Geist der Stadtoberen wagt man gar nicht zu fragen. Wer Thälmann war, warum er ermordet wurde, sein Kampf gegen Faschismus und Krieg, ist das alles etwas, dessen man sich nicht würdig erinnern kann oder nicht mehr darf? Es macht etwas Hoffnung, wenn Stimmen der Stadt und aus dem ganzen Lande sich gegen das eindeutig politische Ansinnen aussprechen. Ebenso bringt eine kaum geringere Zahl der ablehnenden Stimmen die Gleichgültigkeit dazu zum Ausdruck, wenn sie Kostengründe u. ä. anführen. Eine Region und Stadt Heidenau, Kommunalpolitiker und nicht wenige ihrer Bürger sind keine Nazis, wie es 1933 nicht alle waren. Ihr Bekenntnis zu Heimat und Vaterland will sich aber auch nicht mit einem Thälmann, mit Antifaschismus und gegen Krieg und Militarismus verbunden wissen.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.11.2019.