Leserbrief zum Artikel Am Schwanenteich: Der Mann mit dem Hund
vom 13.03.2020:
Warum nicht?
Beim Lesen der Geschichte von Götz Eisenberg fiel mir eine selbsterlebte ein. Zur damaligen Zeit durfte ich einen Teil meines Lebens in Gesellschaft meiner besten Freundin, der Border-Collie-Hündin Bella, die bedauerlicherweise am 5. November 2014 verstorben ist, verbringen. Mein Wohnort lag im bayrischen Dietfurt. Beinahe jeden Sonntag machten wir uns auf den Weg in das Nachbardorf zum Frühschoppen. Manchmal zu Fuß, meistens aber mit dem Fahrrad – also ich, Bella war ohnehin zu Fuß schneller als ich mit Rad. In der pittoresken, bäuerlichen Gastwirtschaft fand sich meistens dasselbe Publikum ein. Darunter ein mit einer roten Ferrari-Kappe »geschmückter« ausgemachter Rassist. An diesem Sonntag verkündete lautstark der bekennende Ausländerhasser, dass sein ach so lieber Sohn von einem dreckigen Kanaken (eigentlich dem Hawaiischen »Kanaka« entlehnt und Mensch bedeutend) verprügelt worden sei (ich dachte bei mir, dann wird er’s wohl gebraucht haben – sagte aber nichts, leider) und dass er, wenn er den erwischen würde, ihm sein Genick brechen werde, es sowieso kein Schaden sei, weil diese Sozialschmarotzer lediglich eh nur auf »unsere« Kosten herumfaulenzten. Nur mit äußerster Mühe konnte ich meine Freundin Bella zurückhalten. Sie bellte wie von Sinnen, fletschte die Zähne, dass ich es selbst fast mit der Angst zu tun bekam, war nicht mehr zu beruhigen (noch heute bin ich mir nicht sicher, ob sie wegen der Lautstärke so außer Fassung geraten war oder ob sie womöglich den hirnlosen Inhalt wahrnahm), so dass ich beschloss, mit ihr den Heimweg anzutreten. Zu Hause erinnerte mich ein Blick auf sie an das Geschehnis in der Wirtsstube. Als ob sie meinen Gedanken erraten hatte, hob sie den Kopf und sah mich an, wie um zu sagen: »Warum eigentlich hast du den nicht in die Schranken gewiesen?« Ja, warum eigentlich nicht?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.03.2020.