Leserbrief zum Artikel Coronakrise: Gutachten zu Vermögensabgabe
vom 17.04.2020:
Privat und Staat
Vermögensabgabe oder gar Enteignung bzw. eine Steuer auf Aktiengewinne, das sind Giftwörter für das Kapital und alle seine Kostgänger mitsamt ihres Staates. Da wird noch einiges dran zu drehen sein, wenn denn so etwas symbolisch und massenberuhigend kommen sollte. Jetzt von Vermögensabgabe zu reden, das ist nach dem Verständnis der Kapitaleigner und Profiteure schon fast kriminell. Jetzt, wo doch angeblich die wirklich Leidenden beim Großkapital zu finden sind, die mit Subventionsmilliarden zu bedienen sind zum Überleben der deutschen Wirtschaft. So die gegenwärtige dominante Lesart. Es erstaunt immer wieder, wie es gelingt, der Bevölkerung, den Lohnabhängigen und allen nicht zu den Wohlhabendsten Gehörenden weiszumachen, dass jeder mit nichts erklärbare gigantische Reichtum für nichts in gesellschaftliche Verantwortung genommen werden darf. Mit größtem Selbstverständnis wird hingenommen, dass Konzerne, Aktionäre, Profiteure und Reichtum unvorstellbaren Ausmaßes gesellschaftlich geschützt, mit gesellschaftlichen Finanzen gepampert werden müssen, weil sonst unsere Wirtschaft untergehe. Aktionäre, Kapitaleigner wie die Würth und Co., Konzernchefs und ander Millionäre oder Milliardäre, die können in der Krise besser und sicherer leben als jeder und jede andere, die auf ihr monatliches bescheidenstes Einkommen angewiesen sind und im Moment auf das, was ihnen die Gesellschaft zugesteht. Welche Wirtschaft bricht mit einer Vermögensabgabe zusammen, wer von den Eigentümern verarmt in kurzer Frist? Welche haben eigentlich schon die Krisenprofite längst im Aug, die jetzt schon real sprudeln angesichts einiger Preisentwicklungen? Das soll nun gleich doppelt gesellschaftlich vergütet werden? Warum erinnert sich niemand von denen an das »Privat vor Staat«, die heute nicht laut genug nach »Staat für privat« schreien und damit wahrlich nicht alle die meinen, die am härtesten von Krise betroffen sind, oder alle, die über kurz oder lang die Krise zu bezahlen haben?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.04.2020.