Leserbrief zum Artikel Lufthansa: Milliardenhilfe und Staatseinstieg
vom 23.05.2020:
Profitausfall retten
In der Krise, die »Corona« genannt wird und vorher bereits an den Märkten erkennbar war, wird erfahrungsgemäß Kapital vernichtet, und dieses wird zu »retten« sein. Jeder meint, der Wichtigste, Bedürftigste, Ärmste und zuerst zu Rettende zu sein, das heißt: mit Milliarden an Steuergeld bedient und auch beschenkt zu werden. Privat vor Staat ist nicht mehr zu hören. Warum nicht? Es gibt Millionen Menschen, die Rettung durch Staat und Gesellschaft mit Steuermitteln ohne jedes schlechte Gewissen fordern können. Es sind meist die Schwächsten, Ärmsten, weniger Betuchten, aber zugleich genau jene, die den Reichtum der Gesellschaft schaffen, mit eigner Hände und Kopf Arbeit zu lächerlichen Löhnen. Sie bekommen mit viel Getöse ein paar Almosen. Milliarden sollen dagegen Konzerne retten, angeblich wegen der Arbeitsplätze. Entlassen und Arbeitsplätze einsparen ist aber immer und zu jeder Zeit das Bestreben der Konzerne, auch jetzt, um Kosten zu sparen. Ankündigungen von Entlassungen kursieren längst. Die Milliarden sollen nur die Verluste ausgleichen. (...) Der Normalbürger lässt sich verdummen und sogar noch die Notwendigkeit der Rettung weismachen. Warum soll der Bürger für die Risiken des Kapitals einstehen? Ist dies das Credo der Marktwirtschaft? Was wurde uns immer erzählt? Was ist überhaupt zu retten an einer Fluggesellschaft, die nicht fliegt? Welche Kosten entstehen, wenn Flieger am Boden bleiben, für den bloßen Unterhalt? Soll etwa der Profitausfall gerettet werden? Wer entschädigt den selbständigen Taxifahrer ebenso? Ändert der Staatseinstieg grundlegend etwas an der Eigentumsfrage und dem Profitprinzip im privaten Konzerninteresse?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.05.2020.